König Drosselbart
Grimms Märchen
Stellt euch vor, es gab einmal ein Königreich, und in diesem Königreich lebte eine Prinzessin, die war wunderschön, aber oje, auch ein bisschen eingebildet. Sie fand an jedem Prinzen, der um ihre Hand anhielt, etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick, der andere zu dünn, und einem lachte sie besonders aus, weil sein Kinn ein ganz klein wenig schief war. "Ha!", rief sie, "der sieht ja aus wie eine Drossel mit ihrem Schnabel! Den nennen wir König Drosselbart!"
Ihr Vater, der König, wurde richtig sauer. "So geht das nicht weiter!", brummte er. "Den ersten Bettler, der an unsere Tür klopft, den musst du heiraten!" Und tatsächlich, bald darauf kam ein Spielmann mit zerzausten Haaren und alten Kleidern vorbei. Und schwupps, die Prinzessin musste ihn heiraten.
Der Spielmann nahm sie mit. Sie mussten durch einen großen, grünen Wald gehen. "Wem gehört dieser schöne Wald?", fragte die Prinzessin. "Der gehört dem König Drosselbart", antwortete der Spielmann. "Ach", seufzte die Prinzessin, "hätte ich ihn doch genommen!"
Dann kamen sie an einer blühenden Wiese vorbei. "Und wem gehört diese schöne Wiese?", fragte sie wieder. "Dem König Drosselbart", war die Antwort. Wieder seufzte die Prinzessin.
Schließlich erreichten sie eine große Stadt. "Wem gehört diese prächtige Stadt?", wollte sie wissen. "Auch die gehört dem König Drosselbart", sagte der Spielmann. "Oh, ich unglückliches Mädchen", jammerte sie, "hätte ich doch nur nicht so gespottet!"
Sie kamen zu einer winzigen, krummen Hütte. "Hier wohnen wir", sagte der Spielmann. Die Prinzessin musste kochen lernen, aber das Essen brannte immer an. Sie versuchte, Körbe zu flechten, aber die Weidenruten stachen sie in die Finger und machten sie blutig. "Du taugst zu nichts", sagte der Mann.
Dann sollte sie Töpfe auf dem Markt verkaufen. Das ging eine Weile gut, bis ein wilder Reiter dahergesaust kam und alle ihre Töpfe in tausend Stücke zerbrach. Die Prinzessin weinte bitterlich.
"Du taugst wirklich zu nichts", sagte der Spielmann, aber nicht böse. "Ich habe eine Idee. Im Schloss des Königs suchen sie eine Küchenmagd." So wurde die stolze Prinzessin eine Küchenmagd. Sie musste die schmutzigsten Arbeiten machen und durfte die Essensreste in kleinen Töpfchen, die sie in ihre Taschen steckte, mit nach Hause nehmen.
Eines Tages gab es ein großes Fest im Schloss. Der Königssohn, ja, genau der König Drosselbart, feierte Hochzeit! Die Prinzessin schaute heimlich von der Tür aus zu. Als König Drosselbart sie sah, zog er sie auf die Tanzfläche. Sie tanzte, aber oje! Aus ihren Taschen fielen die Töpfchen mit den Essensresten heraus und alles verteilte sich auf dem Boden. Alle lachten, und die Prinzessin schämte sich so sehr, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre.
Da lachte König Drosselbart und sagte: "Keine Angst. Ich bin der Spielmann, bei dem du gewohnt hast. Ich war auch der Reiter, der deine Töpfe zerbrochen hat. Das alles habe ich getan, um deinen Stolz zu brechen und dir eine Lehre zu erteilen, weil du mich verspottet hast."
Die Prinzessin weinte, aber diesmal vor Glück und weil sie verstanden hatte. Sie bat ihn um Verzeihung für ihren Hochmut. Und dann feierten sie richtig Hochzeit, und niemand war glücklicher als die beiden. Und die Prinzessin? Die war nie wieder eingebildet oder spöttisch zu jemandem.
2005 Aufrufe