• Bei Sturm und Unwetter

    Andersens Märchen
    Kennt ihr Pip, den kleinen Spatz? Er wohnte mit seiner Mama und seinem Papa in einem kuscheligen Nest, ganz oben in einer alten Eiche. Pip liebte es, Fangen mit den Schmetterlingen zu spielen und den Bienen beim Summen zuzuhören.

    Eines Nachmittags aber wurde der Himmel plötzlich ganz dunkelgrau. Die Sonne versteckte sich hinter dicken Wolken, die aussahen wie riesige Wattebäusche, nur eben nicht weiß, sondern grimmig grau. Ein kühler Wind begann durch die Blätter zu rauschen. "Huiii", machte der Wind, und die Äste der Eiche begannen zu tanzen, als ob sie sich vor etwas fürchteten.

    Pip zitterte ein wenig. "Mama, Papa, was ist los?", piepste er und kuschelte sich tiefer ins Nest.
    Papa Spatz schaute mit ernstem Blick zum Himmel. "Ein Sturm zieht auf, mein Kleiner. Aber keine Sorge, wir sind hier sicher in unserem Nest."
    Mama Spatz breitete ihre Flügel ein wenig über Pip aus. "Kuschel dich ganz fest an uns, dann wird dir warm und du fühlst dich geborgen."

    Bald darauf fing es an zu regnen. Erst waren es nur kleine Tropfen, plitsch, platsch, die auf die Blätter fielen. Aber dann wurden sie größer und prasselten wie tausend kleine Trommeln auf das Blätterdach über ihnen. Der Wind wurde stärker und rüttelte und schüttelte an ihrem Baum. Es donnerte laut in der Ferne – RUMMS! Dann blitzte es hell auf, und gleich darauf noch ein RUMMS, diesmal viel näher!

    Pip machte die Augen ganz fest zu. Er drückte sich fest an seine Eltern. Das war ein bisschen unheimlich! Der Wind heulte wie ein hungriger Wolf um ihren Baum herum und die Regentropfen peitschten gegen ihr Nest.

    Aber Mama und Papa Spatz blieben ruhig. Sie sangen ihm ein leises Liedchen vor, von sonnigen Tagen und saftigen Würmern, um ihn zu beruhigen. Pip lauschte den Stimmen seiner Eltern und spürte ihre Wärme. Langsam wurde seine Angst kleiner.

    Der Sturm tobte eine ganze Weile. Der Regen peitschte, der Wind heulte und der Donner grollte. Aber im Nest, zwischen Mama und Papa, war es warm und trocken und sicher.

    Und dann, so plötzlich wie er gekommen war, zog der Sturm weiter. Der Regen hörte auf, der Wind legte sich und wurde zu einem sanften Säuseln. Zwischen den Wolken blinzelte die Sonne wieder hervor, erst schüchtern, dann immer mutiger.

    Pip öffnete vorsichtig ein Auge, dann das andere. Alles draußen glänzte und duftete frisch gewaschen. Die Luft war klar und Vögel in anderen Bäumen begannen wieder fröhlich zu singen. Regentropfen hingen wie kleine Diamanten an den Blättern.

    Papa Spatz lachte. "Siehst du, Pip? Alles wieder gut. Ein Sturm kann ganz schön wild sein, aber er geht auch wieder vorbei."
    Mama Spatz stupste ihn liebevoll mit dem Schnabel an. "Und danach ist die Welt oft noch viel schöner."

    Pip reckte sich und schüttelte seine kleinen Federn. Er fühlte sich plötzlich ganz mutig. Der Sturm war da gewesen, ja, aber er hatte ihn gut überstanden, zusammen mit seiner Familie.
    Und als die ersten Sonnenstrahlen ihr Nest erreichten und alles in ein goldenes Licht tauchten, da wusste Pip: Nach jedem Sturm, egal wie doll er auch ist, kommt auch wieder Sonnenschein. Und das war ein sehr schöner Gedanke.

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