• Der Goldschatz

    Andersens Märchen
    In einem Königreich, wo die Sonne immer ein bisschen heller schien, lebte ein junger Mann namens Peter. Peter war Trommler in der Armee des Königs. Bumm, bumm, bumm machte seine Trommel, wenn die Soldaten marschierten.

    Als der Krieg endlich vorbei war, packte Peter seine Sachen und machte sich auf den Heimweg. Er pfiff ein Liedchen und freute sich auf ein ruhiges Leben. Unterwegs, auf einer staubigen Landstraße, traf er eine alte Frau. Sie hatte eine krumme Nase und zwinkerte ihm mit einem Auge zu. "Guten Tag, junger Trommler!", krächzte sie. "Du siehst stark und mutig aus. Hättest du Lust auf einen Schatz?"

    Peter, der immer für ein Abenteuer zu haben war, nickte eifrig. Die alte Frau zeigte auf einen dicken, hohlen Baum am Wegesrand. "Klettere da hinein", sagte sie. "Unten findest du drei Kammern. In jeder Kammer sitzt ein Hund auf einer Kiste. Der erste Hund hat Augen so groß wie Teetassen und bewacht eine Kiste mit Kupfermünzen. Der zweite hat Augen so groß wie Mühlräder und bewacht Silbermünzen. Und der dritte – oh, der dritte Hund hat Augen so groß wie Rundtürme und bewacht pures Gold!"

    "Aber die Hunde?", fragte Peter ein wenig besorgt.
    "Keine Angst", sagte die Alte und gab ihm ihre blau karierte Schürze. "Wenn du einen Hund auf meine Schürze setzt, tut er dir nichts. Du kannst dann so viel Geld nehmen, wie du willst. Bring mir nur ein altes Feuerzeug mit, das meine Großmutter dort unten vergessen hat."

    Peter kletterte in den Baum. Es war dunkel und ein bisschen unheimlich. Tatsächlich, da saß der erste Hund mit Augen wie Teetassen und starrte ihn an. Peter breitete die Schürze aus, hob den Hund darauf, und füllte seine Taschen mit Kupfermünzen. Dann ging er zur zweiten Kammer. Der Hund mit den Mühlrad-Augen ließ sich ebenfalls auf die Schürze setzen, und Peter tauschte sein Kupfergeld gegen glänzende Silbermünzen. In der dritten Kammer saß der riesige Hund mit Augen wie Rundtürme. Peter staunte, setzte ihn vorsichtig auf die Schürze und stopfte all seine Taschen und sogar seinen Hut voller Goldstücke. Das alte Feuerzeug fand er auch und steckte es ein.

    Als er wieder aus dem Baum kletterte, fragte die alte Frau: "Hast du das Feuerzeug?"
    "Ja", sagte Peter. "Aber was willst du damit?"
    Die Alte wollte es ihm nicht verraten. Peter wurde misstrauisch. Er wollte das Feuerzeug behalten, aber die Frau wurde zornig. Kurzerhand nahm Peter sein Schwert – das hatte er als Soldat ja noch – und weil die Frau so böse war, nun ja, sie war dann nicht mehr da.

    Mit seinen Taschen voller Gold ging Peter in die nächste große Stadt. Er kaufte sich die feinsten Kleider, wohnte im besten Hotel und gab jeden Tag große Feste. Alle seine neuen Freunde sagten, er sei ein feiner Kerl. Aber als das Gold langsam weniger wurde, verschwanden auch die Freunde. Bald hatte Peter nur noch ein paar Münzen übrig und musste in eine kleine, kalte Dachkammer ziehen.

    Eines dunklen Abends, als er kein Geld mehr für eine Kerze hatte, erinnerte er sich an das Feuerzeug aus dem Baum. Er schlug Funken. Einmal, zweimal, dreimal – und schwupps! Da stand der Hund mit den Teetassen-Augen vor ihm und fragte: "Was befiehlt mein Herr?"
    "Wow!", rief Peter. "Bring mir etwas Geld!" Der Hund war blitzschnell weg und kam mit einem Beutel Kupfermünzen zurück.
    Peter probierte es wieder. Schlug er einmal, kam der Kupfer-Hund. Schlug er zweimal, kam der Silber-Hund. Und schlug er dreimal, erschien der riesige Gold-Hund! Nun war Peter wieder reich.

    In dieser Stadt lebte auch eine wunderschöne Prinzessin. Aber ihr Vater, der König, hatte Angst, sie könnte einen einfachen Mann heiraten. Deshalb hielt er sie in einem hohen Turm gefangen, den niemand betreten durfte. "Ich möchte diese Prinzessin sehen!", dachte Peter. Er rief den Hund mit den Augen wie Mühlräder. "Kannst du mir die Prinzessin bringen?", fragte er.
    Mitten in der Nacht trug der Hund die schlafende Prinzessin auf seinem Rücken zu Peter. Sie war so schön! Peter gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange, bevor der Hund sie wieder zurück in den Turm trug.

    Am nächsten Morgen erzählte die Prinzessin ihrer Zofe von einem seltsamen Traum von einem Hund und einem jungen Mann. Die Zofe wurde misstrauisch. In der nächsten Nacht band sie der Prinzessin heimlich einen kleinen Beutel mit Mehl auf den Rücken, der ein winziges Loch hatte.
    Als der Hund die Prinzessin wieder zu Peter trug, rieselte das Mehl unbemerkt auf die Straße und hinterließ eine Spur.

    Am nächsten Tag folgten die Wachen des Königs der Mehlspur direkt zu Peters Haus. Peter wurde festgenommen und sollte zur Strafe gehängt werden.
    Als er schon auf dem Marktplatz stand und die Leute zusahen, bat er um einen letzten Wunsch: "Darf ich noch einmal meine Pfeife rauchen?"
    Der König erlaubte es. Peter nahm sein Feuerzeug hervor. Er schlug Funken. Einmal – da war der Kupfer-Hund. Zweimal – da war der Silber-Hund. Dreimal – und da stand der riesige Gold-Hund!
    "Rettet mich!", rief Peter.
    Die drei Hunde stürzten sich auf die Wachen und Richter. Sie wirbelten sie durch die Luft, dass allen Angst und Bange wurde. Der König und die Königin bekamen es mit der Angst zu tun.
    Die Leute riefen: "So ein mutiger Mann mit so tollen Hunden soll unser König sein!"

    Und so geschah es. Peter heiratete die wunderschöne Prinzessin. Die drei Hunde bekamen Ehrenplätze bei der Hochzeitsfeier und fraßen aus goldenen Näpfen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben Peter, die Prinzessin und die drei treuen Hunde noch heute glücklich und zufrieden.

    1075 Aufrufe