Der Hemdkragen
Andersens Märchen
Kennt ihr die Geschichte von einem ganz besonderen Hemdkragen? Er war blütenweiß und sehr vornehm und gehörte einem feinen Herrn. Und er war ein bisschen eingebildet, muss man sagen.
Eines Tages dachte der Hemdkragen: "Ich bin so elegant, ich sollte heiraten!"
Zuerst fragte er ein zartes, buntes Strumpfband. "Liebes Strumpfband," sagte er, "du bist so hübsch und weich. Willst du meine Frau werden?" Aber das Strumpfband war sehr schüchtern und flüsterte nur: "Oh, ich trau mich nicht, du bist viel zu fein für mich."
Dann sah er das heiße Bügeleisen, das gerade dabei war, Hemden glatt zu machen. "Du bist so schön warm und stark," sagte der Kragen. "Willst du mich heiraten?" Aber das Bügeleisen zischte nur: "Pffft! Ich habe Wichtigeres zu tun, als mit einem Kragen zu plaudern!"
Schließlich traf er eine alte, spitze Schere, die in einem Nähkästchen lag. "Verehrte Schere," begann der Hemdkragen, doch die Schere schnippte mit ihren Klingen: "Du? Heiraten? Schau dich doch an, du bist ja schon ganz ausgefranst an den Rändern! Dich will doch keiner mehr!"
Der arme Hemdkragen wurde mit der Zeit immer älter und fadenscheiniger. Er wurde oft gewaschen und gebügelt, aber er war nicht mehr so strahlend weiß wie früher. Eines Tages landete er in einem großen Sack zusammen mit vielen anderen alten Stoffresten und Lumpen.
Aber selbst dort, zwischen all den Lumpen, prahlte er noch: "Ich war einmal der feinste Kragen der ganzen Stadt! Alle haben mich bewundert!" Die anderen Lumpen kicherten leise, aber der Hemdkragen hörte nicht auf, von seinen besseren Tagen zu erzählen.
Dann kamen alle Lumpen aus dem Sack in eine große Fabrik. Und was geschah dort mit ihnen? Sie wurden gewaschen, zerkleinert und zu neuem, weißem Papier gemacht! Auch unser Hemdkragen wurde zu einem schönen, glatten Blatt Papier.
Und wisst ihr was das Beste ist? Genau auf dieses Blatt Papier wurde seine Geschichte aufgeschrieben – die Geschichte, die ihr gerade hört!
Der Hemdkragen, jetzt als Papier, war wieder mächtig stolz. "Seht ihr," dachte er bei sich, "meine Geschichte ist so wichtig und interessant, dass sie für immer aufgeschrieben wird! Ich bin eben etwas Besonderes!"
Und so wurde aus einem eitlen Hemdkragen ein stolzes Blatt Papier, das seine eigene, wunderbare Geschichte trug.
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