Der Wolf und der magere Hund
Äsopische Fabeln
Ein Wolf, dessen Magen so laut knurrte, dass die Vögel von den Bäumen flogen, schlich durch den Wald. Er suchte nach etwas Leckerem zu fressen. Da! Zwischen den Büschen entdeckte er einen Hund. Aber ach, der Hund war so dünn, dass man fast durch ihn hindurchsehen konnte.
"Na, Kleiner," sagte der Wolf und leckte sich die Lippen, "du siehst zwar nicht nach viel aus, aber mein Hunger ist groß."
Der dünne Hund zitterte, aber er war auch schlau. "Lieber Wolf," piepste er, "bitte warte doch ein bisschen! Ich bin jetzt nur Haut und Knochen. Aber mein Herr feiert bald eine große Hochzeit. Da gibt es Kuchen, Fleisch und viele Reste für mich. In ein paar Wochen bin ich dick und rund. Dann schmecke ich viel, viel besser!"
Der Wolf dachte nach. Ein dicker Hund klang wirklich verlockend. "Hmm," brummte er. "Das ist eine gute Idee. Ein fetter Braten ist besser als ein magerer Happen. Gut, ich komme wieder, wenn du schön rund bist." Und damit trottete der Wolf davon.
Einige Zeit später, als die Blätter schon bunter wurden, erinnerte sich der Wolf an den dünnen Hund und das versprochene Festmahl. Er machte sich auf den Weg zum Haus des Herrn. Und tatsächlich, da saß der Hund! Er war nicht mehr ganz so dünn und sonnte sich gemütlich auf dem Dach des Hauses, außer Reichweite.
"Hallo, mein Freund!" rief der Wolf von unten. "Ich bin hier, um dich abzuholen. Du siehst schon viel besser aus!"
Der Hund lachte von oben herab. "Oh, hallo Wolf! Schön, dass du da bist. Aber ich habe etwas gelernt: Wenn du das nächste Mal einen Hund fangen willst, der vielleicht nicht ganz so dick ist, dann warte lieber nicht auf eine Hochzeit!"
Der Wolf knirschte mit den Zähnen. Er war hereingelegt worden! Mit einem noch lauteren Magenknurren als zuvor musste er ohne sein Festessen weiterziehen und nach einer anderen Mahlzeit suchen.
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