Der alte Rinkrank
Grimms Märchen
In einem Königreich, so bunt wie ein Regenbogen, lebte ein König, der hatte eine wunderschöne Tochter. Dieser König hatte eine lustige Idee. Er sagte: "Wer meine Tochter heiraten will, muss sich drei Tage lang so gut verstecken, dass ich ihn nicht finden kann!"
Viele Prinzen und tapfere Männer kamen und versuchten ihr Glück. Aber der König war schlau und fand sie alle. Schwupps, landeten sie in einem großen Sack und wurden nach Hause geschickt.
Eines Tages kam eine kluge Prinzessin aus einem fernen Land. Sie wollte es auch versuchen.
Am ersten Tag dachte sie: "Ich verstecke mich in der größten, duftendsten Blume im königlichen Garten!" Gesagt, getan. Sie kroch in eine riesige rote Rose. Aber der König hatte eine feine Nase. Er ging in den Garten, schnupperte hier, schnupperte da und rief: "Aha! In der Rose, da bist du ja!"
Am zweiten Tag überlegte die Prinzessin: "Diesmal bin ich schlauer! Ich verstecke mich in einem Ei im Hühnerstall." Sie fand ein besonders großes Ei und kletterte hinein. Der König kam zum Hühnerstall, schaute sich um, hörte ein leises Kichern und tippte auf das größte Ei. "Kikeriki! Da bist du ja, im Ei!"
Am dritten Tag war die Prinzessin sehr nachdenklich. Sie sah in der Ferne einen riesigen, glitzernden Berg. Es war ein Glasberg! Und in diesem Glasberg wohnte ein seltsamer alter Mann, der hieß Rinkrank. Die Prinzessin kletterte heimlich in den Glasberg und versteckte sich bei Rinkrank.
Der König suchte überall. Er sah den Glasberg, aber die Prinzessin darin konnte er nicht entdecken. Er wurde ein bisschen ärgerlich und rief: "Ich sehe dich nicht, aber ich werde diesen Berg zerschlagen!"
Da kam der alte Rinkrank aus dem Glasberg heraus. "Halt!", rief er. "Wenn du den Berg in Ruhe lässt, bekommst du die Prinzessin nicht, aber ich behalte sie bei mir!" Der König war sehr traurig, aber er hatte sein Wort gegeben, dass er sie nicht finden konnte. So musste die Prinzessin bei dem alten Rinkrank im Glasberg bleiben.
Rinkrank war ein bisschen grummelig und ließ die Prinzessin für sich arbeiten. "Hol Wasser vom Brunnen!", brummte er eines Tages. Die Prinzessin ging, aber sie war klug. Unterwegs ließ sie heimlich kleine, bunte Erbsen aus ihrer Tasche fallen, um den Weg zu markieren.
Am nächsten Tag sagte Rinkrank: "Hol Holz aus dem Wald!" Wieder ging die Prinzessin und diesmal ließ sie kleine Linsen auf den Pfad rieseln.
Am dritten Tag knurrte Rinkrank: "Hol Stroh von der Wiese!" Die Prinzessin gehorchte und streute diesmal dicke Bohnen hinter sich.
Eines Morgens ging Rinkrank selbst aus dem Haus. "Pass gut auf alles auf!", sagte er und verschwand. Kaum war er weg, huschte die Prinzessin zur Tür. Sie folgte zuerst den Bohnen, dann den Linsen und schließlich den Erbsen. So fand sie den Weg zurück zum Schloss ihres Vaters.
Oh, welche Freude! Der König umarmte seine Tochter und rief sofort seine Soldaten. Gemeinsam folgten sie den Spuren aus Erbsen, Linsen und Bohnen, bis sie zum Glasberg kamen. Sie befreiten die Prinzessin und nahmen den alten Rinkrank mit, der versprechen musste, nie wieder jemanden festzuhalten.
Die Prinzessin aber heiratete später einen freundlichen Prinzen, den sie sich selbst ausgesucht hatte, und alle feierten ein riesiges, fröhliches Fest.
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