• Der Trommler

    Grimms Märchen
    Stellt euch vor, ein junger Mann mit einer Trommel auf dem Rücken wanderte ganz allein durch einen großen, grünen Wald. Er war ein Trommler und hatte gerade seine Arbeit beendet und war nun auf dem Heimweg. Als er müde wurde, legte er sich unter einen Baum am Ufer eines klaren Sees, um ein Nickerchen zu machen.

    Als er aufwachte, sah er ein feines, weißes Leinentuch neben sich liegen, so zart und schön, wie er es noch nie gesehen hatte. Er nahm es in die Hand und bewunderte es. Plötzlich hörte er ein Rauschen in der Luft, und drei wunderschöne Mädchen in weißen Kleidern landeten sanft am Seeufer. Sie sahen aus wie Prinzessinnen. Zwei von ihnen fanden schnell ihre eigenen Leinentücher, hüllten sich darin ein und verwandelten sich in Schwäne, die davonflogen.

    Das dritte Mädchen aber suchte und suchte, konnte ihr Tuch aber nicht finden. Es war das Tuch, das der Trommler in der Hand hielt! "Ach, bitte, gib mir mein Tuch zurück", bat sie mit Tränen in den Augen. Der Trommler aber war von ihrer Schönheit so verzaubert, dass er sagte: "Ich gebe es dir nur, wenn du versprichst, meine Frau zu werden." Das Mädchen war erst traurig, aber weil sie ohne das Tuch nicht nach Hause konnte, willigte sie ein.

    Sie nahm ihn mit in ein prächtiges Schloss, das ganz aus Glas zu sein schien. "Hier kannst du wohnen und alles haben, was du dir wünschst", sagte sie. "Aber eine einzige Tür in diesem Schloss darfst du niemals öffnen. Versprich mir das!" Der Trommler versprach es hoch und heilig.

    Viele Tage lebten sie glücklich zusammen. Aber die Neugier nagte am Trommler. "Was mag wohl hinter dieser einen Tür sein?", dachte er immer wieder. Eines Tages, als seine Frau nicht da war, konnte er nicht widerstehen. Er schlich zur verbotenen Tür und öffnete sie einen kleinen Spalt. Dahinter sah er seine Frau, aber sie sah ganz anders aus! Sie war von vielen seltsamen Wesen umgeben und schien eine mächtige Zauberin zu sein, die gerade einen Zauber wirkte.

    In diesem Moment kam seine Frau zurück und sah, dass er die Tür geöffnet hatte. Sie wurde sehr traurig und sagte: "Du hast dein Versprechen gebrochen. Nun muss ich dich verlassen und auf den gläsernen Berg gehen, von dem niemand zurückkehrt." Mit diesen Worten verschwand sie, und das Schloss löste sich in Luft auf.

    Der Trommler war untröstlich. Er wollte seine Frau unbedingt wiederfinden. Er packte seine Trommel und wanderte los, um den gläsernen Berg zu suchen. Unterwegs traf er eine alte, freundliche Frau. Er erzählte ihr seine Geschichte. Die Frau hatte Mitleid und gab ihm drei Dinge: eine Nuss, die er aufknacken sollte, wenn er in großer Not sei, ein Paar Schuhe, mit denen er so schnell wie der Wind laufen konnte, und einen Mantel, der ihn unsichtbar machte.

    Mit den schnellen Schuhen erreichte er bald den Fuß des gläsernen Berges. Er war so glatt und steil, dass niemand ihn erklimmen konnte. Aber der Trommler gab nicht auf. Er versuchte es immer wieder, rutschte aber jedes Mal ab. Da erinnerte er sich an die Nuss. Er knackte sie auf, und heraus kam ein winziges Werkzeug, mit dem er Stufen in das Glas schlagen konnte. So kletterte er mühsam den Berg hinauf.

    Oben auf dem Berg fand er ein großes Fest vor. Und mitten im Saal saß seine Frau, die gerade einen anderen heiraten sollte! Schnell zog der Trommler den Unsichtbarkeitsmantel an und schlich sich in den Saal. Er stellte sich neben seine Frau. Als sie gerade aus einem goldenen Becher trinken wollte, warf er unbemerkt einen kleinen goldenen Ring hinein, den sie ihm einst geschenkt hatte.

    Als sie den Ring im Becher sah, rief sie erstaunt: "Das ist der Ring meines liebsten Trommlers! Er muss hier sein!" Der Trommler warf den Mantel ab und trat vor. Seine Frau sprang auf, rannte zu ihm und umarmte ihn überglücklich. Der andere Bräutigam war natürlich nicht begeistert, aber die Liebe der beiden war stärker.

    Und so feierten sie auf dem gläsernen Berg ihre richtige Hochzeit, und der Trommler spielte auf seiner Trommel die fröhlichsten Lieder. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute glücklich zusammen.

    1529 Aufrufe