Die Brautschau
Grimms Märchen
In einem Land, wo die Schafe besonders weiße Wolle hatten und die Wiesen saftig grün waren, lebte ein junger Schäfer. Er hatte viele Schafe, ein kleines Häuschen und eigentlich alles, was man zum Glücklichsein braucht. Nur eines fehlte ihm: eine liebe Frau.
Der Schäfer kannte drei Schwestern im Dorf. Alle drei waren hübsch und freundlich, und er konnte sich einfach nicht entscheiden, welche er fragen sollte, ob sie ihn heiraten möchte. "Ach," seufzte er eines Abends, "wie soll ich nur die Richtige finden?"
Seine alte, kluge Mutter hörte sein Seufzen. "Mein Sohn," sagte sie, "ich habe eine Idee. Lade alle drei Schwestern nacheinander zu uns zum Essen ein. Ich werde einen großen Käse auf den Tisch stellen. Du musst dann genau beobachten, wie jede von ihnen den Käse anschneidet. Daran wirst du erkennen, welche die Beste für dich ist."
Der Schäfer war ein wenig verwirrt. "Am Käseschneiden?", fragte er. Aber er vertraute seiner Mutter und tat, wie sie ihm geraten hatte.
Am nächsten Tag kam die erste Schwester zu Besuch. Sie war sehr fröhlich und lachte viel. Als der Käse auf den Tisch kam, nahm sie das Messer und schnitt sich ein großes Stück ab. Und wisst ihr was? Sie aß den Käse mit der dicken Rinde einfach mit! "Hmm, lecker!", sagte sie und schmatzte ein wenig. Der Schäfer dachte bei sich: "Sie ist zwar nett, aber vielleicht ein bisschen unachtsam und gierig."
Am Tag darauf kam die zweite Schwester. Sie war sehr elegant und sprach vornehm. Als sie den Käse sah, nahm sie das Messer und schnitt die Rinde ab. Aber sie schnitt so viel vom guten Käse mit der Rinde weg, dass ein großes Stück davon im Abfall gelandet wäre. Der Schäfer dachte: "Sie ist zwar schick, aber sie ist auch ein bisschen verschwenderisch."
Schließlich, am dritten Tag, kam die dritte Schwester. Sie war ruhig und hatte ein freundliches Lächeln. Als sie den Käse sah, nahm sie ihn vorsichtig. Mit einem kleinen, scharfen Messer schnitt sie die Rinde ganz dünn und sauber ab, sodass fast kein guter Käse verloren ging. Dann schnitt sie sich ein bescheidenes Stück ab und aß es mit Genuss.
Da wusste der Schäfer Bescheid! Er lief zu seiner Mutter und rief: "Mutter, ich weiß es! Die Dritte soll es sein! Sie ist sorgsam und verschwendet nichts."
Seine Mutter lächelte zufrieden. "Du hast gut beobachtet, mein Sohn. Eine Frau, die mit dem Käse so ordentlich umgeht, wird auch im Haushalt und mit allem anderen sorgsam sein."
Und so fragte der junge Schäfer die dritte Schwester, ob sie seine Frau werden wolle. Sie sagte ja, und bald darauf feierten sie eine fröhliche Hochzeit. Sie lebten glücklich und zufrieden zusammen, und wenn es Käse gab, dann wurde er immer ganz ordentlich und ohne Verschwendung geschnitten.
2122 Aufrufe