• Die zwei Heller

    Grimms Märchen
    Hört mal zu, Kinder, ich erzähle euch was von einem Mädchen, das so arm war, dass es kaum etwas zum Anziehen hatte und nur ein kleines Stückchen Brot besaß. Ihre Eltern waren gestorben, und sie hatte kein Zuhause mehr. Aber dieses Mädchen hatte ein Herz aus Gold.

    Eines Tages ging sie in den Wald hinaus, denn sie hatte ja kein richtiges Zuhause mehr. Da traf sie einen armen Mann. "Ach," seufzte der Mann, "ich habe solchen Hunger und gar nichts zu essen."
    Das Mädchen dachte nicht lange nach. "Hier," sagte sie und gab ihm ihr letztes Stückchen Brot. "Guten Appetit!"

    Sie ging ein bisschen weiter, und da kam ihr ein Kind entgegen, das jammerte: "Ach, mein Kopf ist so kalt, ich friere an den Ohren!"
    Da nahm das gute Mädchen ihre Mütze ab und setzte sie dem Kind auf den Kopf.

    Und als sie noch ein Stück gegangen war, kam wieder ein Kind, das hatte kein Jäckchen an und fror. Da gab sie ihm ihr eigenes.
    Und noch ein bisschen weiter, da bat ein Kind um ihr Röcklein, das gab sie auch noch her.

    Schließlich kam sie in einen großen Wald, und es war schon dunkel geworden. Da kam noch ein Kind und bat um ein Hemdlein. Das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben." Sie zog ihr Hemdlein aus und gab es auch noch weg.

    In ihrer Tasche aber, da klimperten noch zwei kleine Münzen. Das war wirklich alles, was sie noch besaß.
    Als sie so dastand und gar nichts mehr hatte, außer diesen zwei Münzen, kam ein sehr armes, hungriges Kind und flüsterte: "Bitte, hast du vielleicht eine kleine Münze für mich?"
    Das Mädchen überlegte nicht eine Sekunde. "Hier," sagte sie mit einem Lächeln und gab dem Kind ihre allerletzten zwei Münzen. "Mögen sie dir helfen."

    Und wie sie so dastand und nun wirklich, wirklich gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und es waren lauter harte, blanke Taler. Und obwohl sie ihr Hemdlein weggegeben hatte, hatte sie auf einmal ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen.
    Da sammelte sie die Taler hinein und war reich für ihr ganzes Leben. Und weil sie so ein gutes Herz gehabt hatte, lebte sie glücklich und ohne Sorgen.

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