• Hans mein Igel

    Grimms Märchen
    In einem kleinen Dorf, nicht weit von hier, lebte einmal ein Bauer mit seiner Frau. Sie hatten alles, was sie brauchten, aber eines fehlte ihnen sehr: ein Kind. Der Bauer seufzte oft und sagte: "Ach, wenn ich doch nur ein Kind hätte! Und wenn es auch ein Igel wäre, ich würde es lieben."

    Und stellt euch vor, nicht lange danach bekam seine Frau ein Kind. Aber es war ein seltsames Kind: oben war es ein Igel und unten ein Junge. Als die Mutter das sah, erschrak sie und sagte: "Siehst du, du hast es dir gewünscht!" Der Bauer aber sagte: "Was hilft es? Es ist nun einmal unser Kind, und wir wollen es Hans mein Igel nennen."

    Hans mein Igel konnte nicht im Bett seiner Mutter liegen, denn seine Stacheln hätten sie gepiekt. So machten sie ihm ein kleines Bettchen aus Stroh hinter dem Ofen, und da lag er acht Jahre lang. Sein Vater war seiner überdrüssig und wünschte, er wäre tot. Aber Hans mein Igel starb nicht, sondern blieb hinter dem Ofen liegen.

    Eines Tages war Jahrmarkt im Dorf. Hans mein Igel bat seinen Vater: "Vater, geh auf den Markt und kauf mir einen Dudelsack." Der Vater dachte: "Was will er denn damit?" Aber er kaufte ihm einen kleinen Dudelsack. Als Hans ihn hatte, sagte er: "Vater, lasst mir auch einen Hahn beschlagen, auf dem will ich fortreiten und nie wiederkommen."

    Der Vater freute sich, dass er ihn loswurde, und ließ den Hahn beschlagen. Hans mein Igel setzte sich darauf, nahm seine Schweine und Esel mit, die er im Wald hüten wollte, und ritt davon. Im Wald kletterte Hans mit seinem Hahn auf einen hohen Baum. Dort saß er, hütete die Schweine und Esel und spielte so wunderschön auf seinem Dudelsack.

    Einmal verirrte sich ein König im Wald. Er hörte die schöne Musik und schickte einen Diener, um nachzusehen, woher sie käme. Der Diener fand Hans mein Igel auf dem Baum. Der König fragte Hans, ob er ihm den Weg aus dem Wald zeigen könne. "Ja," sagte Hans mein Igel, "wenn Ihr mir versprecht, mir das Erste zu geben, was Euch zu Hause am königlichen Schloss begegnet." Der König dachte: "Das kann ich leicht tun. Hans mein Igel versteht ja doch nichts davon." Er schrieb es auf und versprach es. Hans mein Igel zeigte ihm den Weg, und der König kam glücklich nach Hause. Als er aber ans Schlosstor kam, lief ihm seine einzige Tochter entgegen und freute sich sehr. Da erinnerte sich der König an sein Versprechen und wurde sehr traurig. Er erzählte seiner Tochter alles. Sie aber tröstete ihn und sagte, sie wolle schon mit Hans mein Igel gehen.

    Ein anderer König verirrte sich auch im Wald und hörte die Musik. Er bat Hans mein Igel ebenfalls, ihm den Weg zu zeigen, und versprach ihm auch das Erste, was ihm zu Hause begegnen würde. Als dieser König nach Hause kam, lief ihm auch seine wunderschöne Tochter entgegen. Dieser König war ehrlich und erzählte seiner Tochter, was geschehen war. Die Tochter sagte: "Lieber Vater, wenn Ihr es versprochen habt, so muss es gehalten werden. Ich will mit Hans mein Igel gehen."

    Als die Zeit gekommen war, ritt Hans mein Igel auf seinem Hahn, gefolgt von seinen Schweinen, die fröhlich grunzten, zuerst zum Schloss des ersten Königs. Der König hatte befohlen, jeden zu erschießen, der wie ein Igel aussah und auf einem Hahn ritt. Aber Hans mein Igel ritt einfach durchs Tor. Die Königstochter musste sich weiß anziehen und mit ihm in eine Kutsche steigen. Als sie ein Stück gefahren waren, stach Hans mein Igel sie mit seinen Stacheln und sagte: "Das ist dein Lohn für deine Falschheit." Dann schickte er sie beschämt nach Hause zurück.

    Danach ritt Hans mein Igel zum zweiten König. Dessen Tochter kam ihm schwarz gekleidet entgegen, aber mit freundlichem Gesicht. Hans mein Igel stieg vom Hahn, und sie setzten sich zu Tisch. Am Abend, als sie schlafen gehen wollten, hatte die Königstochter Angst vor seinen Stacheln. Aber Hans mein Igel sagte ihr, sie solle keine Furcht haben, es würde ihr nichts geschehen. Er bat den alten König, vier Männer mit Fackeln aufzustellen. Dann zog er seine Igelhaut aus und befahl den Männern, die Haut ins Feuer zu werfen und gut darauf zu achten, dass sie ganz verbrennt.

    Als die Igelhaut verbrannt war, stand Hans da als ein wunderschöner junger Mann. Er war aber ganz schwarz, als wäre er verbrannt. Der König rief seinen Arzt, der ihn mit kostbaren Salben wusch und einrieb, bis seine Haut wieder hell und schön war.

    Am nächsten Morgen wurde eine große Hochzeit gefeiert. Hans mein Igel heiratete die liebe Königstochter und bekam das Königreich von seinem Schwiegervater. Nach vielen Jahren besuchte er auch seinen alten Vater auf dem Bauernhof. Der Vater erkannte ihn zuerst nicht, aber als Hans sich zu erkennen gab, freute er sich sehr. Und sie lebten alle glücklich und zufrieden.

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