Sechse kommen durch die ganze Welt
Grimms Märchen
Stellt euch vor, Kinder, da war einmal ein Soldat, aber nicht irgendeiner! Dieser Soldat hatte tapfer gekämpft, doch als der Krieg vorbei war, sagte der König nur: "Hier hast du drei kleine Münzen für deine Mühe, und nun geh deiner Wege!" Der Soldat war enttäuscht. "Drei Münzen? Davon kann ich ja kaum ein Brot kaufen!", dachte er und stapfte traurig davon.
Als er so durch den Wald ging, traf er einen Mann, der gerade sechs dicke Eichenbäume aus der Erde zog, als wären es Karotten. "Du bist aber stark!", staunte der Soldat. "Das bin ich", sagte der Mann, "ich bin der Starke. Willst du mein Herr sein?" "Gerne!", sagte der Soldat, und sie zogen zusammen weiter.
Bald darauf sahen sie einen Jäger, der auf einen sehr, sehr weit entfernten Baum zielte. "Was schießt du denn da?", fragte der Soldat. "Ich schieße einer Fliege das linke Auge aus, die zwei Meilen von hier auf einem Ast sitzt", antwortete der Scharfschütze. "Komm mit uns!", rief der Soldat.
Nicht viel später begegneten sie einem Mann, der sich ein Bein abgenommen hatte und es unter dem Arm trug. "Damit ich nicht zu schnell laufe", erklärte der Schnellläufer. "Wenn ich beide Beine benutze, bin ich schneller als der Wind!" "Du bist genau der Richtige für uns!", lachte der Soldat.
Danach trafen sie einen Mann, der sich ein Nasenloch zuhielt. "Was tust du denn da?", fragte der Soldat. "Wenn ich aus beiden Nasenlöchern puste", sagte der Puster, "kann ich sieben Windmühlen auf einmal antreiben oder Schiffe über das Meer blasen." "Prima, komm mit!", sagte der Soldat.
Dann kam ihnen ein Mann entgegen, der seinen Hut ganz schief auf dem Kopf trug. "Setz doch deinen Hut gerade auf!", meinte der Soldat. "Oh nein", erwiderte der Hutmann, "wenn ich meinen Hut gerade rücke, gibt es einen so furchtbaren Frost, dass die Vögel am Himmel erfrieren und tot zur Erde fallen." "Ein nützlicher Mann!", dachte der Soldat und nahm ihn mit.
Zuletzt trafen sie einen Mann, der seinen Hals so lang machen konnte, dass er über alle Berge blicken konnte. "Ich bin der Weitgucker", sagte er. "Ich kann alles auf der Welt sehen." "Perfekt!", rief der Soldat. "Mit euch sechs kann mir nichts mehr passieren!"
So zogen die sieben in eine Stadt, in der der König verkündet hatte: "Wer meine Tochter im Wettlauf besiegt, soll sie zur Frau bekommen und mein halbes Königreich dazu!"
"Das ist eine Aufgabe für uns!", sagte der Soldat, und der Schnellläufer meldete sich für den Wettlauf. Die Königstochter war aber schlau. Sie gab dem Schnellläufer einen Krug Wein, in dem ein Schlafmittel war. Kaum hatte er getrunken, schlief er tief und fest ein.
Doch der Scharfschütze hatte alles beobachtet. "Er schläft!", rief er. Der Weitgucker reckte seinen Hals und sah, wo der Schnellläufer lag. Da rannte der Starke los, packte den Schlafenden und trug ihn blitzschnell ins Ziel, gerade noch bevor die Königstochter ankam.
Der König und die Prinzessin waren sehr ärgerlich. Der König sagte: "Das gilt nicht! Ihr müsst noch eine andere Probe bestehen. Ihr müsst mit mir und meinem Hofstaat an einer Tafel speisen. Aber wehe, wenn etwas übrigbleibt!"
Der Soldat ließ den Starken an die Tafel setzen. Der aß und aß, bis alle Schüsseln und Platten leer waren, sogar die der anderen Gäste.
Der König war immer noch nicht zufrieden. "Jetzt müsst ihr allen Wein aus meinem Keller austrinken!", forderte er. Wieder war es der Starke, der sich an die Arbeit machte und alle Fässer leer trank, bis kein Tropfen mehr übrig war.
Nun wurde der König richtig wütend. "Als letzte Probe sollt ihr drei Tage und drei Nächte in einem Eisenofen sitzen, den ich glühend heiß machen lasse!" Die sechs Freunde und der Soldat gingen in den Ofen. Aber der Hutmann rückte seinen Hut gerade, und sofort wurde es im Ofen so angenehm kühl, dass sie Karten spielten und sich freuten.
Als die drei Tage um waren und der König den Ofen öffnete, saßen alle sieben frisch und munter darin. Da wusste der König, dass er verloren hatte. "Nehmt euch so viel Gold, wie ihr wollt, und geht!", sagte er kleinlaut.
Der Soldat sagte: "Gut, dann gib mir so viel Gold, wie einer meiner Diener tragen kann." Der König lachte, denn er dachte, das sei nicht viel. Aber dann kam der Starke und packte alles Gold des Königreichs in einen riesigen Sack, warf ihn sich über die Schulter und ging davon, als wäre es eine leichte Feder.
Der Soldat und seine sechs treuen Helfer teilten das Gold gerecht unter sich auf und lebten von da an reich und glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
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