Das Waldhaus
Andersens Märchen
Tief, tief im Wald, wo die Bäume so hoch sind, dass sie den Himmel kitzeln, lebte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen drei Töchtern. Eines Tages musste der Holzhacker besonders tief in den Wald hinein. Er sagte zu seiner ältesten Tochter: "Bring mir bitte mein Mittagessen. Damit du den Weg findest, streue ich Hirsekörner."
Die älteste Tochter machte sich auf den Weg. Aber die vielen Vögel im Wald hatten auch Hunger und pickten alle Hirsekörner auf. So verirrte sich das Mädchen. Als es dunkel wurde, sah sie ein kleines Licht und fand ein Häuschen. Sie klopfte an. Ein alter Mann mit einem langen, grauen Bart öffnete. Neben ihm saßen ein Hühnchen, ein Hähnchen und eine schöne bunte Kuh.
"Guten Abend", sagte das Mädchen. "Ich habe mich verlaufen. Darf ich hier übernachten?"
Der alte Mann fragte seine Tiere: "Mein schönes Hühnchen, mein schönes Hähnchen, und du, meine schöne bunte Kuh, was sagt ihr dazu?"
Die Tiere antworteten alle zusammen: "Duks!" Das bedeutete wohl "Ja".
"Gut", sagte der alte Mann. "Komm herein. Es gibt Essen für dich. Aber du musst auch an meine Tiere denken."
Das Mädchen hatte großen Hunger. Es aß schnell, aber vergaß, dem Hühnchen, dem Hähnchen und der Kuh etwas zu geben. Dann sagte es: "Ich bin müde. Wo kann ich schlafen?"
Der alte Mann sagte: "Mach dir dein Bett und auch meins." Das Mädchen machte sich ein weiches Bett, aber für den alten Mann machte es nur schnell ein hartes Lager. Dann schlief es ein. Am nächsten Morgen war das Mädchen verschwunden. Niemand wusste, wohin.
Am nächsten Tag schickte der Holzhacker seine zweite Tochter mit dem Essen los. Diesmal streute er Erbsen, um den Weg zu markieren. Aber wieder pickten die Vögel alles auf, und auch die zweite Tochter verirrte sich und kam zum Häuschen des alten Mannes. Wieder fragte der alte Mann seine Tiere, und wieder sagten sie "Duks!". Auch dieses Mädchen aß gierig, ohne an die Tiere zu denken, und machte nur sich selbst ein schönes Bett. Am nächsten Morgen war auch sie verschwunden.
Nun war die jüngste Tochter an der Reihe. Der Vater streute Linsen. Aber auch die Linsen wurden von den Vögeln gefressen, und das Mädchen verirrte sich. Es fand das Häuschen und klopfte an. Der alte Mann öffnete, und wieder fragte er sein Hühnchen, sein Hähnchen und seine bunte Kuh: "Was sagt ihr dazu?" Und wieder riefen sie: "Duks!"
Die jüngste Tochter aber war anders. Bevor sie selbst aß, sagte sie: "Ihr armen Tiere, ihr müsst auch hungrig sein." Sie gab dem Hühnchen Körner, dem Hähnchen Körner und der Kuh frisches Heu. Erst dann aß sie selbst. Danach fragte sie: "Wo können wir schlafen?"
Der alte Mann sagte: "Mach dir dein Bett und auch meins."
Das Mädchen machte zuerst dem alten Mann ein wunderbar weiches und warmes Bett. Sie schüttelte die Kissen auf und deckte ihn gut zu. Erst dann machte sie ihr eigenes Bett und schlief zufrieden ein.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, traute sie ihren Augen nicht. Sie lag in einem prächtigen Bett in einem riesigen Schloss! Alles glänzte und funkelte. Der alte Mann stand vor ihr, aber er war kein alter Mann mehr, sondern ein junger, schöner Prinz.
Er lächelte und sagte: "Du warst gut zu mir und meinen Tieren. Damit hast du mich von einem bösen Zauber erlöst. Dieses Schloss gehört dir, und wenn du willst, kannst du meine Frau werden."
Das Hühnchen, das Hähnchen und die bunte Kuh waren jetzt seine Diener, alle fein angezogen.
Die jüngste Tochter war überglücklich und sagte "Ja". Sie feierten eine große Hochzeit und lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Und ihre beiden Schwestern? Die mussten zur Strafe für ihre Unfreundlichkeit in der Schlossküche helfen, bis sie gelernt hatten, nett zu Tieren und Menschen zu sein.
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