Alles an seinem rechten Platz
Andersens Märchen
Stellt euch ein riesiges, altes Haus vor, das schon viele, viele Jahre auf einem Hügel stand. Es fühlte sich sehr vornehm an, auch wenn hier und da die Farbe blätterte und ein Fensterladen ein bisschen schief hing. Dieses Haus hatte schon viel gesehen und dachte bei sich: "Ich bin etwas Besonderes!"
Eines Tages kam ein junger Mann, ein Kaufmannssohn. Nennen wir ihn einfach den jungen Herrn. Er hatte das Haus gekauft und rief fröhlich: "Puh, hier muss aber ordentlich was getan werden! Alles Alte raus, alles Neue rein!" Er wollte alles modern und schick machen.
Im Haus wohnte auch Jens, der alte Diener. Jens kannte jede Ecke, jeden knarrenden Dielenboden und jeden verborgenen Winkel. Er schüttelte leise den Kopf und sagte oft zum jungen Herrn: "Junger Herr, alles hat seinen richtigen Platz. Wenn die Dinge nicht an ihrem Platz sind, dann gibt es Unordnung."
Der junge Herr lachte nur. "Ach, Jens", sagte er, "das sind doch alte Geschichten! Wir brauchen frischen Wind!" Und so wurden alte Möbel auf den Dachboden geräumt und neue, glänzende Dinge ins Haus getragen.
Bald darauf gab der junge Herr eine große Feier. Viele Gäste kamen, es gab Musik und leckeres Essen. Aber oh je! Weil ein kleiner Tisch nicht fest an seinem Platz stand, wackelte er, und die Suppenschüssel darauf kippte um! Ein Gast stolperte über einen Teppich, der nicht richtig ausgerollt war. Ein anderer stieß sich den Kopf an einer Lampe, die zu tief hing. Es war ein einziges Durcheinander, und der junge Herr wurde ganz rot im Gesicht vor Verlegenheit.
In dieser Nacht, als alle Gäste fort waren und es still im Haus wurde, konnte der junge Herr nicht schlafen. Er dachte an Jens' Worte: "Alles hat seinen richtigen Platz." Plötzlich schien es ihm, als ob ein unsichtbarer, alter Besen durch die Räume fegte. Nicht um zu putzen, nein! Es war, als ob dieser Besen die Dinge sanft anstieß. Ein Stuhl wurde ein Stückchen gerückt, ein Bild hing plötzlich wieder gerade, ein Teppich lag glatt.
Am nächsten Morgen, als der junge Herr durch das Haus ging, sah alles viel ordentlicher und gemütlicher aus. Er verstand auf einmal, was Jens gemeint hatte. Er holte Jens zu sich und sagte: "Du hattest recht, Jens. Es ist wichtig, dass alles seinen richtigen Platz hat."
Von da an half Jens dem jungen Herrn, das Haus einzurichten. Sie fanden für die neuen Dinge gute Plätze, aber sie holten auch einige der schönen alten Möbel vom Dachboden zurück. Sie passten wunderbar zu den neuen Sachen. Das Haus wurde wieder ein stolzes und glückliches Haus, in dem Altes und Neues friedlich zusammenlebten.
Und der junge Herr? Er lernte, dass nicht alles, was alt ist, schlecht sein muss, und dass Ordnung wirklich dabei hilft, sich wohlzufühlen. Er sagte oft zu sich selbst und manchmal auch zu Jens: "Ja, wirklich alles hat seinen richtigen Platz." Und das alte Haus auf dem Hügel nickte zufrieden mit seinen Fensterläden.
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