• Hans im Glück

    Andersens Märchen
    In einem kleinen, bunten Häuschen, nicht weit von hier, lebte einmal ein Junge namens Peer. Als Peer auf die Welt kam, hatte er etwas ganz Besonderes dabei: eine feine Haut über seinem Köpfchen, wie eine winzige Mütze. Die Leute nannten das eine Glückshaube und sagten: "Dieser Junge wird immer Glück haben!"

    Peer wuchs heran und war ein fröhlicher Kerl. Am liebsten saß er unter dem großen Apfelbaum im Garten, lauschte dem Gesang der Vögel und summte seine eigenen Melodien dazu. Sein Papa aber meinte: "Peer, mein Sohn, vom Singen allein wird man nicht satt. Du musst einen ordentlichen Beruf lernen!"

    Also schickte man Peer zuerst zu einem Kaufmann in die Lehre. Aber Peer zählte lieber die Schäfchenwolken am Himmel als die Münzen in der Kasse. "Das ist nichts für dich", seufzte der Kaufmann und schickte Peer nach Hause.

    Dann sollte er Schneider werden. Doch während er nähen sollte, dachte Peer an neue Lieder, und so wurden die Nähte krumm und schief. "Ach, Peer", sagte der Schneidermeister, "deine Gedanken sind wohl woanders."

    Auch beim Schuster klappte es nicht. Peer hämmerte zwar fleißig, aber oft im Takt eines Liedes, das ihm gerade einfiel, und traf dabei nicht immer den Nagel auf den Kopf.

    Eines Tages zog eine wandernde Theatergruppe durch das Städtchen. Mit bunten Wagen, lauter Musik und Schauspielern in prächtigen Kostümen. Peers Augen leuchteten! Er schlich sich zu ihnen und fragte, ob er mitmachen dürfe. Der Direktor hörte Peer singen und war begeistert. "Du hast eine Stimme wie eine Nachtigall!", rief er. "Du bist dabei!"

    Peer war überglücklich. Endlich durfte er tun, was er am liebsten mochte: singen und spielen! Er wurde schnell zum Liebling des Publikums. Die Leute klatschten und riefen "Bravo, Glücks-Peer!". Er lernte eine liebe Sängerin namens Anna kennen, und die beiden sangen die schönsten Duette zusammen. Peer dachte: "Die Glückshaube wirkt wirklich!"

    Doch das Glück ist manchmal ein bisschen launisch. Eines Winters wurde Peer krank, und seine wunderbare Stimme wurde rau und krächzend. Er konnte nicht mehr singen. Die Theatergruppe zog ohne ihn weiter, und Peer war sehr traurig. Was sollte er nun tun?

    Langsam und mit schwerem Herzen wanderte Peer zurück in sein Heimatdorf. Er fühlte sich gar nicht mehr wie ein Glückskind. Doch als er wieder unter dem alten Apfelbaum saß, die Vögel zwitschern hörte und die Kinder im Dorf ihre einfachen Lieder singen hörte, da wurde ihm warm ums Herz.

    Er begann, den Kindern seine Lieder beizubringen. Er schnitzte kleine Flöten aus Holunderzweigen und erzählte ihnen Geschichten von seinen Abenteuern. Er war nicht mehr berühmt und hatte kein Geld, aber er lachte wieder viel.

    Die Leute im Dorf sahen ihn und sagten: "Schaut, das ist Glücks-Peer. Er hat vielleicht nicht die Welt erobert, aber er hat sein Glück hier bei uns gefunden." Und Peer verstand: Die Glückshaube bedeutete nicht, dass immer alles glattläuft. Sie bedeutete, dass man die Freude im Herzen trägt und sein eigenes, ganz persönliches Glück finden kann, auch wenn es ganz anders aussieht, als man es sich erträumt hat. Und das ist doch das allerschönste Glück, oder?

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