Der furchtsame Jäger
Äsopische Fabeln
An einem sonnigen Morgen spazierte ein Jäger durch den Wald. Er trug ein großes Gewehr und hielt Ausschau nach einem Löwen. Er erzählte jedem, der es hören wollte, wie unglaublich mutig er sei und dass er sich vor nichts und niemandem fürchte.
Tiefer im Wald traf er einen Holzfäller, der gerade sein Mittagessen aß. "Guten Tag!", rief der Jäger. "Sagen Sie, mein Freund, haben Sie vielleicht die Spuren eines Löwen gesehen? Oder wissen Sie, wo er sich versteckt hält?"
Der Holzfäller kaute auf seinem Brot und sagte dann: "Einen Löwen suchen Sie? Oh ja, den kenne ich! Wenn Sie möchten, kann ich Sie sofort zu seiner Höhle führen. Ich habe ihn erst vor Kurzem dort gesehen."
Als der Jäger das hörte, wurde er kreidebleich. Seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und seine Zähne begannen leise zu klappern. "Oh, äh, nein, danke!", stotterte er schnell. "Das ist sehr freundlich, aber... ich suche eigentlich nur seine Fußspuren. Ja, genau, nur die Spuren! Den Löwen selbst... den brauche ich gar nicht zu sehen."
Damit drehte sich der Jäger schnell um und eilte davon, so schnell ihn seine zitternden Beine tragen konnten. Der Holzfäller schmunzelte und dachte sich: Große Worte sind eben einfacher als große Taten.
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