• Der Fischer und der Thunfisch

    Äsopische Fabeln
    Früh am Morgen, als die Wellen sanft ans Ufer plätscherten, saß ein Fischer geduldig an der Küste. Er hatte seine Angel ausgeworfen und wartete auf einen guten Fang. Lange tat sich nichts, doch dann, plötzlich, zuckte seine Angelrute! "Ha!", rief er, "Da hat einer angebissen!"

    Er zog und zog, und was kam zum Vorschein? Ein kleiner, silbrig glänzender Thunfisch zappelte am Haken. Der Fischer freute sich schon auf sein Abendessen.

    Doch da fing der kleine Thunfisch an zu sprechen: "Oh, bitte, lieber Fischer," piepste er mit dünner Stimme, "lass mich wieder frei! Ich bin doch noch so winzig. Wenn du mich jetzt zurück ins Meer wirfst, dann kann ich wachsen und richtig groß und stark werden. In ein paar Monaten oder einem Jahr bin ich ein prächtiger, fetter Thunfisch. Dann kannst du mich wieder fangen, und du hast viel mehr davon! Eine richtige Festmahlzeit!"

    Der Fischer schaute den kleinen Thunfisch an und dachte kurz nach. Er kratzte sich am Kopf. "Hmm," brummte er dann. "Das klingt ja ganz verlockend, mein kleiner Freund. Aber wer weiß, ob ich dich später wirklich wiederfinde? Oder ob dich bis dahin nicht ein anderer Fischer fängt, oder ein großer Hai dich schnappt?"

    Er schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Ein kleiner Fisch, den ich sicher in der Hand habe, ist mir lieber als ein großer Fisch, den ich vielleicht nie bekomme. Man sagt ja auch: Ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach."

    Und so nahm der Fischer den kleinen Thunfisch mit nach Hause. Es war zwar keine riesige Mahlzeit, aber immerhin hatte er etwas Leckeres für sein Abendbrot. Er wusste: Was man sicher hat, das hat man.

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