• Der gelernte Jäger

    Grimms Märchen
    Nicht weit von hier, oder vielleicht doch ganz weit weg, lebte ein junger Mann. Er hatte ein Handwerk gelernt, aber sein Herz schlug für Abenteuer und die Jagd. So packte er eines Tages seine Sachen und sagte: "Ich werde Jäger!"

    Im Wald traf er bald auf einen riesengroßen Riesen. Der Riese lachte dröhnend: "Ein Jägerlein! Na, zeig mal, was du kannst!" Er befahl: "Hol mir Wein aus meinem Keller dort drüben!" Der junge Mann nahm sein Gewehr, zielte auf die Korken in den Weinflaschen, die weit entfernt im Keller standen, und – PENG! PENG! PENG! – flogen die Korken heraus, ohne dass eine Flasche zerbrach.

    Der Riese staunte. "Nicht schlecht! Jetzt schneide mir diesen Braten dort auf dem Felsen in Stücke!" Wieder nahm der Jäger sein Gewehr, zielte, und – PENG! – war der Braten sauber zerteilt.
    "Und nun," brummte der Riese, "hol mir Holz zum Feuer machen!" Der Jäger sah einen dicken, alten Baum. Er zielte auf den Stamm und – PENG! – krachte der Baum genau vor die Füße des Riesen.

    Da lachte der Riese nicht mehr, sondern sagte anerkennend: "Du bist ein Meisterjäger! Hier, nimm dieses Gewehr. Es trifft alles, worauf du zielst, ganz egal wie weit es weg ist." Dankbar nahm der Jäger das Zaubergewehr und zog weiter.

    Er kam zu einer Stadt, in der alle Leute sehr traurig waren. "Was ist denn los?", fragte er. Man erzählte ihm, dass ein anderer, noch viel grimmigerer Riese in den Bergen hauste. Dieser Riese wollte die wunderschöne Königstochter heiraten, sonst würde er die ganze Stadt zerstören. Der König hatte versprochen: Wer den Riesen besiegt, bekommt die Prinzessin zur Frau und das halbe Königreich dazu.

    "Das ist eine Aufgabe für mich!", dachte der Jäger. Bevor er loszog, traf er die Prinzessin. Sie war sehr blass und weinte. Er sagte freundlich: "Hab keine Angst, ich werde dich retten." Er gab ihr ein kleines, besticktes Tuch. "Behalte das, damit du weißt, dass ich es bin, der zurückkommt."

    Dann marschierte er mutig zum Berg des Riesen. Der Riese war noch größer und furchteinflößender als der erste. Er brüllte den Jäger an: "Was willst du kleiner Wicht hier?"
    Der Jäger hob sein Zaubergewehr, zielte genau auf das Herz des Ungetüms und – PENG! – fiel der Riese mit lautem Getöse zu Boden und rührte sich nicht mehr.

    Fröhlich kehrte der Jäger in die Stadt zurück. Doch drei Diener des Königs, die sehr eifersüchtig waren, hatten sich heimlich zum Berg geschlichen. Sie schnitten dem toten Riesen die Zunge heraus und eilten zum König. "Wir haben den Riesen besiegt!", prahlten sie und zeigten die Zunge.

    Als der Jäger ankam und sagte, er habe den Riesen erlegt, lachten sie ihn aus. Der König war verwirrt. Da trat die Prinzessin vor. Sie hielt das bestickte Tuch hoch: "Dieser tapfere Jäger hat mir das gegeben, bevor er ging! Er ist der wahre Held!"

    Um ganz sicher zu sein, sagte der König: "Wer von euch kann einen Apfel von meiner Tochter Kopf schießen, ohne sie zu verletzen?"
    Die eifersüchtigen Diener wurden bleich. Der erste schoss meilenweit daneben. Der zweite traf nicht einmal den Baum, auf dem der Apfel hätte liegen können, wenn er dort gewesen wäre. Der dritte traute sich gar nicht.

    Dann trat der Jäger vor. Er lächelte der Prinzessin zu, legte an, zielte sorgfältig und – PENG! – fiel der Apfel unversehrt vom Kopf der Prinzessin.
    Da jubelten alle! Die falschen Diener mussten beschämt das Schloss verlassen. Der tapfere Jäger aber heiratete die Prinzessin, und sie feierten ein großes Fest. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute glücklich und zufrieden.

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