• Der Fuchs und die Frau Gevatterin

    Grimms Märchen
    Stellt euch vor, an einem hellen, sonnigen Tag, als die Vögel fröhlich zwitscherten, traf der Fuchs seine Frau Gevatterin, die Wölfin. Frau Gevatterin hatte schrecklichen Hunger. "Ach, lieber Fuchs," jammerte sie, "mein Magen knurrt wie ein Bär! Weißt du nicht, wo es etwas Gutes zu fressen gibt?"

    Der Fuchs, der immer einen schlauen Plan hatte, zwinkerte ihr zu. "Aber natürlich, Frau Gevatterin! Komm mit, ich zeige dir einen Ort, da gibt es die leckersten Lämmer."

    Er führte sie zu einer saftigen Weide, auf der viele junge Schafe grasten. "Siehst du?", flüsterte der Fuchs. "Such dir das rundeste aus!" Frau Gevatterin zögerte nicht lange, sprang über den Zaun und schnappte sich ein Lamm. Es schmeckte ihr so gut, dass sie gleich noch ein zweites fraß. "Pass auf, Frau Gevatterin", warnte der Fuchs, "iss nicht zu viel, sonst kommt der Schäfer!" Aber Frau Gevatterin hörte nicht und wollte gerade das dritte Lamm anfangen, als der Schäfer mit seinem großen Stock angerannt kam. Der Fuchs war blitzschnell verschwunden, aber Frau Gevatterin, satt und schwer, bekam ordentlich Prügel, bevor sie humpelnd entkommen konnte.

    Ein paar Tage später trafen sie sich wieder. Frau Gevatterin klagte: "Fuchs, mein Rücken tut immer noch weh, und hungrig bin ich auch schon wieder."
    Der Fuchs grinste. "Kein Problem, Frau Gevatterin. Heute Abend gehen wir zu einem Bauernhaus. Die Bäuerin macht die besten Pfannkuchen der Welt!"

    Als es dunkel wurde, schlichen sie zum Haus. Durchs Küchenfenster sahen sie die Bäuerin, wie sie einen Stapel goldbrauner Pfannkuchen buk. Der Fuchs war flink: Er huschte hinein, schnappte sich geschickt zwei, drei Pfannkuchen und war wieder draußen. "Siehst du, so einfach geht das!", sagte er und mampfte genüsslich. Frau Gevatterin wollte es ihm nachtun. Aber sie war viel ungeschickter, stieß gegen einen Topf, der mit lautem Scheppern zu Boden fiel. Die Bäuerin kam mit einem Besen hereingestürmt! Der Fuchs lachte leise und versteckte sich, während Frau Gevatterin nicht nur mit dem Besen verjagt wurde, sondern auch noch die Schüssel mit dem restlichen Teig über den Kopf bekam.

    Wieder einige Zeit später traf der Fuchs die immer noch hungrige und etwas zerzauste Frau Gevatterin. "Ach, Fuchs," seufzte sie, "diesmal muss es aber klappen. Ich habe solchen Hunger, ich könnte einen ganzen Ochsen fressen!"
    Der Fuchs nickte verschmitzt. "Ich weiß genau das Richtige! Im Keller des Pfarrhauses lagert gepökeltes Fleisch. Da ist ein kleines Loch in der Wand, durch das wir hineinschlüpfen können."

    Gesagt, getan. Sie fanden das Loch und krochen in den kühlen Keller. Überall hingen Würste und Schinken! Der Fuchs nahm sich ein kleines Stückchen, denn er wusste, er musste ja wieder durch das enge Loch passen. Frau Gevatterin aber konnte sich nicht beherrschen. Sie fraß und fraß, bis ihr Bauch kugelrund war. "Frau Gevatterin", mahnte der Fuchs, "denk an das Loch! Du musst wieder hinauspassen!" Aber sie hörte nicht auf ihn.

    Plötzlich hörten sie Schritte. "Schnell, der Pfarrer kommt!", rief der Fuchs. Er schlüpfte behände durch das Loch nach draußen. Aber Frau Gevatterin, mit ihrem dicken Bauch, blieb stecken! Sie zerrte und drückte, aber es half nichts. Der Pfarrer kam in den Keller, sah die Wölfin im Loch feststecken und holte einen dicken Knüppel.

    Der Fuchs aber saß draußen im Gras, putzte sich die Schnauze und dachte sich: "Wer nicht hören will, muss fühlen. Und wer zu gierig ist, bleibt eben stecken!" Dann trottete er davon, immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer.

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