• Der Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein

    Grimms Märchen
    In einem kleinen, gemütlichen Dorf, da lebten einmal drei Brüder. Sie hießen Fritz, Max und Hans. Sie waren arm wie die Kirchenmäuse und beschlossen, in die Welt hinauszuziehen, um ihr Glück zu suchen.

    Fritz, der Älteste, traf bald einen alten Mann mit einem langen Bart. Der Mann schenkte ihm einen ziemlich abgenutzten Ranzen. "Klopf dreimal darauf", sagte der Mann mit einem Augenzwinkern, "und so viele Soldaten, wie du brauchst, werden herausmarschieren, bereit zu kämpfen." Fritz bedankte sich und dachte: "Na, das ist ja mal praktisch!" Er wanderte weiter, bis er zu einem Königreich kam, das von Feinden bedroht wurde. Fritz klopfte mutig dreimal auf seinen Ranzen, und zack! Eine ganze Armee von tapferen Soldaten erschien. Sie besiegten die Feinde im Nu, und der König war so dankbar, dass er Fritz seine Tochter zur Frau gab und ihn zu seinem Nachfolger ernannte. Fritz war nun König und sehr zufrieden.

    Max, der zweite Bruder, begegnete einer alten Frau, die am Wegesrand saß. Sie gab ihm einen alten, etwas löchrigen Hut. "Dreh ihn einmal schnell herum", erklärte sie, "und Goldstücke werden nur so herauspurzeln." Max probierte es sofort aus und – pling, pling, pling – Goldstücke regneten auf den Boden! Er sammelte alles ein, kaufte sich ein großes Haus und wurde ein reicher Kaufmann.

    Hans, der Jüngste, den seine Brüder manchmal für ein bisschen schusselig hielten, traf tief im Wald einen freundlichen Jäger. Der Jäger schenkte ihm ein altes, verbeultes Horn. "Wenn du kräftig hineinbläst", sagte der Jäger, "kannst du alles zerstören, was du nicht magst, oder alles herbeirufen, was du dir wünschst." Hans dachte: "Ein Horn? Na gut, besser als nichts", und steckte es ein.

    Nach einer Weile besuchte Hans seinen Bruder Fritz, den König. Fritz hatte gerade große Sorgen, denn eine neue, noch stärkere feindliche Armee bedrohte sein Königreich. Fritz lachte erst ein wenig, als Hans sein altes Horn anbot. Aber Hans ließ sich nicht beirren, blies kräftig hinein und wünschte sich, die feindliche Armee möge einfach verschwinden. Und schwuppdiwupp, waren alle Feinde wie vom Erdboden verschluckt! Fritz war sehr beeindruckt, aber auch ein ganz klein wenig neidisch auf das tolle Horn.

    Danach ging Hans zu seinem Bruder Max, dem reichen Kaufmann. Max jammerte gerade, weil Diebe ihm all sein Gold gestohlen hatten. Hans zögerte nicht, blies in sein Horn und wünschte sich einen riesigen Berg Goldstücke und einen Tisch voller leckerer Speisen. Und sofort stand alles da! Max war überglücklich, aber auch er wurde ein bisschen stolz und dachte, er sei nun der Größte.

    Mit der Zeit wurden König Fritz und Kaufmann Max sehr überheblich. Sie vergaßen ganz, dass Hans ihnen geholfen hatte. Sie machten sich über ihn und sein "komisches altes Horn" lustig. "Wir sind ein König und ein reicher Mann!", prahlten sie. "Und was bist du schon, Hans, mit deinem Tröten?" Das machte Hans sehr traurig und dann auch ein bisschen wütend.

    Also ging Hans zuerst zu König Fritz. Fritz lachte ihn wieder aus. Da blies Hans zornig in sein Horn und rief: "Alle Mauern dieses Schlosses sollen einstürzen!" Und krach-bumm, fielen die dicken Schlossmauern in sich zusammen. König Fritz stand erschrocken und mit offenem Mund im Staub.

    Dann marschierte Hans zu Max. Max zeigte gerade stolz seine neuen Goldtruhen. Hans blies wieder in sein Horn und rief: "All dein Gold soll zu einfachen Kieselsteinen werden!" Und pling-plong, war das glänzende Gold verschwunden und stattdessen lagen nur noch graue Steine in den Truhen.

    Jetzt bekamen Fritz und Max große Angst. Es tat ihnen schrecklich leid, wie gemein sie zu Hans gewesen waren. Sie liefen zu ihm, entschuldigten sich und baten: "Lieber Hans, bitte verzeih uns! Hilf uns noch einmal! Wir wollen nie wieder so undankbar und böse zu dir sein."

    Hans hatte ein gutes Herz und verzieh seinen Brüdern. Er blies noch einmal sanft in sein Horn. Für Fritz baute er ein kleineres, aber sehr schönes Schloss wieder auf. Für Max verwandelte er einen Teil der Kieselsteine zurück in Gold – aber nicht alles, damit er lernte, bescheiden zu bleiben.

    Von diesem Tag an behandelten Fritz und Max ihren Bruder Hans mit großem Respekt und waren immer freundlich zu ihm. Sie hatten gelernt, dass auch die unscheinbarsten Dinge – und Menschen – große Wunder vollbringen können. Und so lebten sie zusammen, vielleicht nicht immer im größten Reichtum, aber dafür viel klüger und glücklicher miteinander.

    2035 Aufrufe