• Am äußersten Ende des Meeres

    Andersens Märchen
    In einem alten Schloss, umgeben von dichten Wäldern, da wohnte ein König. Er war schon sehr alt und fühlte, dass seine Zeit bald zu Ende ging.

    Eines Tages rief er seinen treuesten Diener zu sich. "Mein lieber Freund," sagte der König mit schwacher Stimme, "ich habe einen letzten Wunsch. Wenn ich sterbe, möchte ich dort begraben werden, wo die Sonne jeden Abend ins große Meer eintaucht. Ganz am Ende der Welt."

    Der Diener, der seinen König sehr lieb hatte, versprach es ihm mit Tränen in den Augen. Und so machten sie sich auf den Weg. Der König wurde in einer sanften Trage getragen, und der Diener ging nebenher. Ihre Reise war lang. Sie zogen über hohe Berge, durch tiefe Täler und über breite Flüsse. Der König wurde immer schwächer, aber sein Wunsch blieb stark.

    Endlich, nach vielen, vielen Tagen, erreichten sie eine einsame Küste. Vor ihnen lag das riesige, blaue Meer, und es schien, als ob es kein Ende hätte. Genau hier, dachte der Diener, wollte der König seine Ruhe finden.

    Als die Sonne an diesem Abend wie ein großer, roter Ball im Meer versank, schloss der König für immer seine Augen. Der Diener war sehr traurig. Er begann, mit bloßen Händen ein Grab in den Sand zu graben, nahe am Wasser.

    Plötzlich sah er ein Schiff am Horizont. Es kam näher und näher. Der Diener erkannte die Flagge: Es waren die Feinde des Königs! Sie wollten den toten König finden und ihm seine letzte Ruhe nicht gönnen.

    Dem Diener wurde angst und bange. Was sollte er nur tun? Er war ganz allein. In seiner Not faltete er die Hände und bat den Himmel um Hilfe.

    Und wie durch ein Wunder, verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Ein gewaltiger Sturm zog auf. Der Wind heulte, und riesige Wellen schlugen gegen das Schiff der Feinde. Es krachte und ächzte, und bald darauf verschwand das Schiff in den tobenden Fluten.

    Als der Sturm vorüber war, war das Meer wieder ruhig. Von den Feinden war nichts mehr zu sehen. Der treue Diener konnte seinen König nun in Frieden begraben, genau dort, wo die Sonne das Meer küsste. Er blieb viele Jahre an dem Grab, wachte über seinen König, bis er eines Tages selbst müde wurde und sich neben ihn legte, um für immer zu schlafen.

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