• Umzugstag

    Andersens Märchen
    Wisst ihr, was an einem Umzugstag passiert? In einem alten Haus, das bald leer sein würde, war es ganz still. Fast ganz still. Denn wenn man genau hinhörte, konnte man leises Tuscheln und Seufzen vernehmen.

    Eine alte Teekanne mit einem kleinen Sprung in der Seite flüsterte: "Ach, nun ziehen sie also aus. Ich werde die warmen Hände vermissen, die mich gehalten haben." Sie dachte an die vielen gemütlichen Nachmittage, an denen sie duftenden Tee für die Familie bereithielt.

    Neben ihr stand ein kleines Holzpferdchen, dem ein Ohr fehlte. Es wieherte leise. "Und ich werde die wilden Ritte durch das Kinderzimmer vermissen! Ich war ein tapferes Schlachtross und ein schnelles Rennpferd."

    In einer Ecke lag eine Stoffpuppe mit einem geflickten Kleid. Ihre Knopfaugen blickten traurig zur Tür. "Ob sie uns vergessen werden?", murmelte sie. "Wir haben doch so viele Abenteuer zusammen erlebt."

    Plötzlich raschelte es. Der alte Besen, der schon viele Familien hatte kommen und gehen sehen, räusperte sich. "Ach, Kinderkram", brummte er. "Vergessen wird man nicht so schnell. Jedes Ding hier im Haus hat seine Geschichte. Und jede Geschichte bleibt, auch wenn die Menschen gehen."

    Die Teekanne schniefte. "Aber es wird so leer sein ohne das Lachen der Kinder."

    "Und ohne die Geschichten, die der Vater am Abend vorgelesen hat", fügte das Holzpferdchen hinzu.

    Da hörten sie Schritte auf der Treppe. Die Tür ging auf, und die letzten Kisten wurden hinausgetragen. Dann ein letztes Klappern, ein Zuschlagen der Haustür, und Stille. Tiefe, ungewohnte Stille.

    Die Stoffpuppe kuschelte sich tiefer in ihre Ecke. Die Teekanne fühlte sich kälter an als sonst. Nur der Besen stand aufrecht und wartete.

    Nach einer Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, hörten sie wieder Geräusche. Diesmal klangen sie anders. Neue Schritte, neue Stimmen. Die Tür öffnete sich, und Sonnenlicht fiel herein.

    "Schau mal, Mama!", rief eine helle Kinderstimme. "Hier steht ja eine alte Teekanne! Die ist bestimmt schön für meine Spielzeugküche!" Kleine Hände griffen nach der Teekanne.

    Ein anderes Kind entdeckte das Holzpferdchen. "Oh, ein Pferdchen! Dem fehlt zwar ein Ohr, aber es kann bestimmt noch toll reiten!"

    Und dann sah ein kleines Mädchen die Stoffpuppe. "Eine Puppe! Sie sieht ein bisschen traurig aus. Aber ich werde gut auf sie aufpassen."

    Der alte Besen lächelte in sich hinein, so gut ein Besen eben lächeln kann. Das Haus war nicht mehr leer. Neue Geschichten würden beginnen. Und die alten Dinge? Sie waren bereit für neue Abenteuer.

    1341 Aufrufe