Der Ursprung des Dichtermets
Nordische Mythologie
Stellt euch vor, in der alten Zeit der Götter und Riesen gab es einen ganz besonderen Trank, den Dichtermeth. Wollt ihr wissen, wie er entstanden ist?
Also, passt auf: Es gab einmal zwei Gruppen von Göttern, die Asen und die Wanen. Sie hatten eine Weile miteinander gestritten, aber dann beschlossen sie, Frieden zu schließen. Um diesen Frieden zu besiegeln, spuckten alle Götter zusammen in einen großen Kessel. Und aus diesem Speichel entstand ein Wesen namens Kvasir. Kvasir war unglaublich klug, der klügste Mann, den es je gab! Er wusste auf jede Frage eine Antwort.
Kvasir reiste durch die Welt und teilte seine Weisheit mit allen. Aber es gab zwei Zwerge, Fjalar und Galar, die waren ein bisschen gemein und neidisch auf Kvasirs Klugheit. Eines Tages lockten sie Kvasir in eine Falle und, ach du Schreck, sie nahmen ihm das Leben. Aus seinem Blut, vermischt mit Honig, brauten die Zwerge einen magischen Met. Wer auch nur einen Schluck davon trank, wurde sofort zum besten Dichter und konnte die wunderbarsten Lieder und Geschichten erzählen. Das war der Dichtermeth!
Die Zwerge erzählten den Göttern frech, Kvasir sei an seiner eigenen Klugheit erstickt. Aber die Zwerge waren nicht nur gemein zu Kvasir. Sie spielten auch einem Riesen namens Gilling und seiner Frau einen üblen Streich, sodass beide starben. Gillings Sohn, der Riese Suttungr, wurde darüber furchtbar wütend. Er schnappte sich die Zwerge Fjalar und Galar und wollte sie für ihre Taten bestrafen. Die Zwerge bekamen große Angst und boten Suttungr den kostbaren Dichtermeth an, um ihr Leben zu retten. Suttungr nahm den Met an sich und versteckte ihn tief in einem Berg. Seine Tochter, die Riesin Gunnlöð, sollte gut darauf aufpassen.
Nun hörte Odin, der oberste aller Götter, von diesem Wundertrank. Odin war sehr neugierig und wollte unbedingt davon kosten, um auch so weise und wortgewandt zu werden. Also verkleidete er sich als ein einfacher Wanderer namens Bölverkr und machte sich auf den Weg zu Suttungrs Bruder, dem Riesen Baugi.
Mit List und Tücke brachte Odin Baugi dazu, ihm zu helfen, an den Met zu gelangen. Baugi bohrte mit einem riesigen Bohrer ein Loch in den Berg, in dem Suttungr den Met versteckt hielt. Odin verwandelte sich blitzschnell in eine kleine Schlange und schlängelte sich durch das Bohrloch hinein.
Im Inneren des Berges traf er Gunnlöð, die den Met bewachte. Odin war sehr charmant und freundlich zu ihr. Er überredete Gunnlöð, ihm für drei Nächte, die er bei ihr verbringen würde, drei Schlucke von dem Met zu erlauben. Gunnlöð stimmte zu. Aber Odin war schlau! Mit dem ersten Schluck trank er ein ganzes Fass leer, mit dem zweiten Schluck das nächste und mit dem dritten Schluck den gesamten restlichen Met!
Dann verwandelte sich Odin schnell in einen großen Adler und flog mit dem gestohlenen Met im Bauch davon, so schnell er konnte, in Richtung Asgard, der Heimat der Götter. Als Suttungr bemerkte, was geschehen war, wurde er rasend vor Wut. Auch er verwandelte sich in einen Adler und jagte Odin hinterher.
Es war ein spannendes Wettfliegen! Gerade als Odin Asgard erreichte und Suttungr ihm dicht auf den Fersen war, spuckte Odin den Dichtermeth in große Gefäße, die die anderen Götter schon bereitgestellt hatten. Ein paar Tropfen fielen dabei daneben und landeten auf der Erde – das wurde der Anteil für die nicht ganz so begabten Dichter. Aber der größte Teil des kostbaren Dichtermeths war gerettet!
Seit diesem Tag teilt Odin den Dichtermeth mit den Göttern und auch mit den Menschen, die es verdienen, die Gabe der Dichtkunst zu empfangen. Und so kommen die schönsten Gedichte und Lieder in unsere Welt.
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