• Der Fuchs, der des Tigers Macht missbrauchte

    Chinesische Fabeln
    An einem sonnigen Morgen im Wald, als die Vögel fröhlich sangen, schlich ein großer, hungriger Tiger umher. Sein Magen knurrte laut. "Grrrrummm," machte er. "Ich brauche etwas Leckeres zu essen!"
    Plötzlich sah er einen kleinen, schlauen Fuchs. "Aha!", dachte der Tiger. "Ein perfekter Snack!" Mit einem großen Satz sprang der Tiger auf den Fuchs zu und packte ihn.
    "Ha! Jetzt habe ich dich, kleiner Fuchs!", brüllte der Tiger. "Du wirst mein Frühstück sein!"
    Der Fuchs zitterte, aber sein Köpfchen arbeitete schnell. "Halt!", rief er mit überraschend fester Stimme. "Du darfst mich nicht fressen!"
    Der Tiger war verdutzt. "Und warum nicht?", fragte er mit einem tiefen Grollen.
    "Weil," sagte der Fuchs und plusterte sich auf, "ich vom Himmelskönig gesandt wurde, um der Herrscher aller Tiere hier im Wald zu sein! Wenn du mich frisst, bekommst du großen Ärger mit dem Himmelskönig!"
    Der Tiger blinzelte. Ein kleiner Fuchs, der Herrscher? Das klang komisch. "Du? Der Herrscher der Tiere?", lachte er. "Das glaube ich dir nicht."
    "Wenn du mir nicht glaubst," sagte der Fuchs listig, "dann komm einfach mit mir. Geh ein Stück hinter mir, und du wirst sehen, wie alle Tiere vor mir fliehen, weil sie mich respektieren und fürchten."
    Der Tiger dachte nach. Das war eine interessante Idee. Er war neugierig. "Na gut," brummte er. "Zeig es mir. Aber wehe, du lügst!"
    Also stolzierte der Fuchs los, mit erhobenem Schwanz, und der riesige Tiger trottete hinter ihm her.
    Bald trafen sie auf einen Hasen, der gerade an einem saftigen Kleeblatt knabberte. Als der Hase den Fuchs sah, zuckte er nur mit der Nase. Aber dann erblickte er den riesigen Tiger dahinter! "Hiiilfe!", quiekte der Hase und rannte so schnell er konnte davon.
    Dann kamen sie an einer Lichtung vorbei, wo ein Reh friedlich graste. Das Reh sah den Fuchs und wollte gerade freundlich nicken. Doch dann sah es den Tiger! Mit großen Augen sprang es auf und verschwand im dichten Wald.
    Sogar die Affen in den Bäumen, die zuerst neugierig auf den Fuchs herunterschauten, kreischten und kletterten höher, als sie den Tiger hinter ihm bemerkten.
    Der Tiger war sehr beeindruckt. "Wow!", dachte er. "Alle Tiere haben ja wirklich schreckliche Angst vor diesem kleinen Fuchs! Er muss tatsächlich der vom Himmelskönig gesandte Herrscher sein."
    Er wagte nicht, den "Herrscher" Fuchs weiter zu belästigen. Er machte eine tiefe Verbeugung (so gut ein Tiger das eben kann) und sagte: "Oh, mächtiger Herrscher Fuchs, verzeih mir meine Dummheit."
    Der Fuchs tat so, als wäre nichts gewesen, nickte würdevoll und sagte: "Schon gut, Tiger. Aber sei in Zukunft vorsichtiger." Dann spazierte er davon, und als er sicher war, dass der Tiger ihn nicht mehr sehen konnte, kicherte er leise in sich hinein. Der große Tiger hatte nicht gemerkt, dass die Tiere vor ihm, dem Tiger, geflohen waren und nicht vor dem kleinen, schlauen Fuchs!

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