• Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

    Grimms Märchen
    In einem Land, wo die Flüsse noch sangen und die Bäume flüsterten, wurde eines Tages ein ganz besonderes Baby geboren. Es war ein Junge, und er hatte eine Glückshaut um, als er auf die Welt kam. Weise Frauen sagten voraus: "Dieser Junge wird einmal die Tochter des Königs heiraten!"

    Der König hörte davon und war gar nicht erfreut. Er dachte: "Ein einfacher Junge soll meine Tochter heiraten? Niemals!" Also ging er zu den armen Eltern des Jungen und bot ihnen viel Gold, wenn sie ihm das Kind gäben. Schweren Herzens stimmten sie zu. Der König legte das Baby in eine kleine Kiste und warf es in den Fluss. "So, nun wird er sicher nicht meine Tochter heiraten", dachte er.

    Aber die Kiste schwamm und schwamm, bis sie an einem Mühlenwehr hängen blieb. Der Müller und seine Frau fischten die Kiste heraus, und als sie das süße Baby sahen, beschlossen sie, es wie ihr eigenes Kind aufzuziehen. Sie nannten ihn Glückskind.

    Viele Jahre vergingen. Eines Tages kam der König zufällig an der Mühle vorbei und sah den stattlichen jungen Mann. Er fragte den Müller, wessen Sohn das sei. Als er hörte, dass es das Findelkind aus der Kiste war, wurde er blass vor Schreck. Die Weissagung! Schnell dachte er sich einen neuen Plan aus. Er gab dem Glückskind einen Brief und sagte: "Bring diesen Brief zu meiner Frau, der Königin. Du darfst ihn auf keinen Fall öffnen!"

    Glückskind machte sich auf den Weg. Unterwegs kam er in einen großen Wald, und als es dunkel wurde, sah er ein Lichtlein. Er ging darauf zu und kam zu einem Räuberhaus. Die Räuber waren erst misstrauisch, aber dann freundlich. Als Glückskind schlief, schauten die Räuber neugierig in den Brief. Darin stand: "Sobald dieser Junge ankommt, soll er getötet werden." Die Räuber hatten Mitleid und schrieben schnell einen neuen Brief: "Sobald dieser Junge ankommt, soll er mit unserer Tochter verheiratet werden."

    Als Glückskind bei der Königin ankam und den Brief abgab, wurde sofort eine prächtige Hochzeit vorbereitet. Und so heiratete Glückskind die Königstochter, genau wie es vorausgesagt worden war.

    Als der König zurückkam und sah, was geschehen war, tobte er vor Wut. "Wenn du meine Tochter behalten willst", sagte er zu Glückskind, "musst du mir drei goldene Haare vom Kopf des Teufels bringen. Schaffst du das nicht, ist alles aus!"

    Glückskind war traurig, aber er machte sich auf den Weg zur Hölle. Unterwegs kam er zu einer Stadt. Die Wachen am Tor fragten ihn: "Kannst du uns sagen, warum unser Brunnen auf dem Marktplatz, aus dem früher Wein sprudelte, jetzt nicht einmal mehr Wasser gibt?" Glückskind versprach, es herauszufinden, wenn er zurückkäme.

    Dann kam er zu einer anderen Stadt. Dort fragten ihn die Leute: "Kannst du uns sagen, warum unser Apfelbaum, der früher goldene Äpfel trug, jetzt nicht einmal mehr Blätter hat?" Wieder versprach Glückskind, die Antwort bei seiner Rückkehr zu bringen.

    Schließlich kam er an einen großen Fluss. Der Fährmann dort klagte: "Ach, muss ich denn ewig hin und her fahren und werde nie abgelöst? Kannst du mir sagen, wie ich frei werde?" Glückskind versprach auch ihm, die Antwort zu bringen.

    Endlich erreichte Glückskind die Hölle. Sie sah gar nicht so schlimm aus, eher wie ein großes, unordentliches Haus. Die Großmutter des Teufels saß vor der Tür. Sie war erstaunlich freundlich. Glückskind erzählte ihr, was er brauchte. "Das ist gefährlich", sagte die Großmutter, "aber ich will dir helfen." Sie verwandelte ihn in eine kleine Ameise und versteckte ihn in ihrer Rockfalte.

    Als der Teufel nach Hause kam, schnupperte er und sagte: "Ich rieche, ich rieche Menschenfleisch!" Die Großmutter sagte: "Ach was, du hast wohl schlecht geträumt." Nach dem Essen legte der Teufel seinen Kopf in den Schoß seiner Großmutter und schlief ein. Da zupfte sie ihm geschickt ein goldenes Haar aus. "Autsch!", rief der Teufel. "Was ist los?" "Ach", sagte die Großmutter, "ich hatte einen seltsamen Traum. Ich träumte, ein Brunnen, aus dem Wein floss, sei versiegt." Der Teufel lachte. "Das ist doch klar! Da sitzt eine Kröte unter einem Stein im Brunnen. Wenn man die tötet, sprudelt der Wein wieder."

    Die Großmutter lauste ihn weiter, und als er wieder fest schlief, zupfte sie ihm das zweite goldene Haar aus. "Aua!", schrie der Teufel. "Was ist denn nun schon wieder?" "Ich hatte wieder einen Traum", sagte die Großmutter. "Ein Apfelbaum, der goldene Äpfel trug, hat keine Blätter mehr." Der Teufel grinste. "Dummköpfe! Eine Maus nagt an seiner Wurzel. Wenn sie die töten, trägt er wieder goldene Äpfel."

    Und als er zum dritten Mal eingeschlafen war, zupfte sie ihm das dritte goldene Haar aus. Der Teufel fuhr hoch. "Was soll das denn?" "Nur ein böser Traum", sagte die Großmutter. "Ich träumte von einem Fährmann, der sich beklagte, dass er immerzu fahren müsse." Der Teufel gähnte. "Der Narr! Wenn einer kommt und übergesetzt werden will, muss er ihm nur die Ruderstange in die Hand drücken, dann ist der andere der Fährmann und er ist frei."

    Als der Teufel am nächsten Morgen weg war, verwandelte die Großmutter die Ameise zurück in Glückskind, gab ihm die drei goldenen Haare und wünschte ihm Glück.

    Glückskind machte sich auf den Heimweg. Dem Fährmann sagte er: "Wenn das nächste Mal jemand kommt, drück ihm einfach die Ruderstange in die Hand." Der Fährmann bedankte sich und gab ihm zum Lohn viel Gold.
    In der Stadt mit dem Apfelbaum sagte er: "Tötet die Maus, die an der Wurzel nagt." Dafür bekam er zwei Esel, beladen mit Gold.
    Und in der Stadt mit dem Brunnen sagte er: "Eine Kröte sitzt unter einem Stein im Brunnen. Tötet sie." Als sie das taten, sprudelte wieder Wein, und Glückskind bekam noch mehr Gold.

    So kam er reich beladen zum König zurück und gab ihm die drei goldenen Haare des Teufels. Der König war erstaunt, aber als er all das Gold sah, wurde er gierig. "Woher hast du all diese Schätze?", fragte er. Glückskind antwortete: "An einem Fluss gibt es viel Gold, man muss es nur über den Fluss tragen." "Kann ich das auch?", fragte der König. "Ja", sagte Glückskind, "der Fährmann wird dich übersetzen. Aber wenn du drüben bist, musst du ihm vielleicht helfen, die Ruderstange zu halten."

    Der gierige König eilte sofort zum Fluss. Der Fährmann setzte ihn über. Als sie am anderen Ufer ankamen, drückte der Fährmann dem König die Ruderstange in die Hand und sprang aus dem Boot. Und so musste der König von nun an für seine Gier büßen und immerzu Leute über den Fluss fahren.

    Glückskind aber lebte glücklich und zufrieden mit seiner schönen Königstochter bis ans Ende seiner Tage.

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