• Die beiden Wanderer

    Äsopische Fabeln
    Zwei Freunde, nennen wir sie Paul und Tim, packten ihre Rucksäcke. Sie wollten zusammen ein großes Abenteuer erleben und wanderten fröhlich in den Wald hinein. Die Sonne schien durch die Blätter, und die Vögel zwitscherten.

    "Egal was passiert," sagte Paul zu Tim, "wir halten zusammen wie Pech und Schwefel! Echte Freunde helfen sich immer!"
    Tim nickte eifrig. "Klar, Paul! Auf uns ist Verlass!"

    Sie gingen eine Weile, als plötzlich ein lautes Rascheln aus dem Gebüsch kam. Ein riesiger, brummender Bär tapste auf den Weg!
    Oh Schreck! Paul, der eben noch so mutig gesprochen hatte, dachte nur noch an sich. Schwuppdiwupp, kletterte er auf den nächsten hohen Baum, so schnell er konnte, und ließ Tim einfach unten stehen.

    Tim wusste, dass er nicht schnell genug war, um wegzulaufen oder auch auf einen Baum zu klettern. Aber er hatte mal gehört, dass Bären keine toten Tiere fressen. Also warf er sich blitzschnell platt auf den Boden, hielt die Luft an und tat so, als wäre er mausetot. Er bewegte nicht einmal ein Wimper.

    Der Bär kam näher. Er schnüffelte an Tim herum, stupste ihn mit seiner großen, feuchten Nase an und brummte leise. Tim rührte sich keinen Millimeter, obwohl sein Herz wie wild pochte. Der Bär dachte wohl: "Hm, der rührt sich ja gar nicht mehr. Der ist bestimmt nicht mehr frisch." Und so trottete er brummend weiter in den Wald hinein.

    Als der Bär außer Sichtweite war, kletterte Paul langsam und vorsichtig vom Baum herunter. Er grinste ein bisschen unsicher und fragte Tim, der sich gerade den Staub von der Hose klopfte: "Puh, das war knapp! Sag mal, was hat dir der Bär denn ins Ohr geflüstert, als er so nah bei dir war?"

    Tim sah Paul ernst an und sagte: "Er hat mir einen guten Rat gegeben: Man soll nicht mit Freunden reisen, die einen im Stich lassen, wenn es gefährlich wird."

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