Der Fuchs und das Krokodil
Äsopische Fabeln
An einem warmen Tag, als die Sonne hoch am Himmel stand und fröhlich auf das Wasser eines breiten Flusses schien, lag ein Krokodil faul am Ufer. Es sonnte seinen dicken Bauch und blinzelte zufrieden.
Da kam ein Fuchs des Weges geschlendert. Er war bekannt für seinen wachen Verstand und seine spitze Zunge. Als er das Krokodil sah, das so stolz dalag, konnte er sich einen kleinen Gruß nicht verkneifen.
"Guten Tag, Herr Krokodil", sagte der Fuchs freundlich. "Ihr seht ja heute besonders vornehm aus."
Das Krokodil öffnete ein Auge und betrachtete den Fuchs. "Vornehm, sagst du? Natürlich bin ich vornehm! Meine Familie ist eine der ältesten und edelsten der Welt!" prahlte das Krokodil. "Schon meine Ur-Ur-Urgroßväter haben hier im Fluss gelebt, als die Menschen noch in Höhlen wohnten. Sie kannten die Pharaonen und haben die Pyramiden wachsen sehen!" Das Krokodil plusterte sich auf. "Wir sind die wahren Könige dieses Flusses!"
Der Fuchs hörte geduldig zu, ein kleines Lächeln umspielte seine Schnauze. Als das Krokodil mit seiner Prahlerei fertig war, sagte der Fuchs ganz ruhig: "Das ist ja wirklich beeindruckend, Herr Krokodil. So eine lange und edle Ahnenreihe." Er machte eine kleine Pause und fügte dann hinzu: "Aber wenn ich mir Eure berühmte Haut so ansehe, dann fällt mir auf, dass die Menschen sie sehr gerne für schicke Taschen und starke Schuhe benutzen. Das klingt für mich nicht ganz so königlich."
Das Krokodil klappte sein großes Maul mit einem lauten Schnappen zu. Es starrte den Fuchs an, wusste aber nicht, was es darauf antworten sollte. Ein bisschen verlegen war es schon. Es hatte noch nie darüber nachgedacht, dass seine ach so edle Haut oft als Leder endete.
Der Fuchs zwinkerte ihm zu, drehte sich um und spazierte pfeifend weiter. Das Krokodil aber lag noch lange still da und dachte über die Worte des schlauen Fuchses nach. Vielleicht war es doch nicht immer das Beste, so sehr mit seiner Herkunft anzugeben.
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