Der Löwe und das Wildschwein
Äsopische Fabeln
An einem richtig heißen Tag, als die Sonne vom Himmel lachte und alles ganz trocken war, hatten ein Löwe und ein Wildschwein gleichzeitig eine super Idee: "Ich brauche Wasser!"
Beide rannten so schnell sie konnten zu der einzigen kleinen Wasserstelle, die es weit und breit gab. Plitsch, platsch – da standen sie nun, Nase an Nase, vor dem winzigen Wasserloch.
"Ich war zuerst hier!", brummte der Löwe und schüttelte seine Mähne.
"Nein, ich!", grunzte das Wildschwein und stampfte mit seinen Hufen. "Außerdem habe ich viel größeren Durst!"
"Pah, als ob!", fauchte der Löwe. "Ich bin der König der Tiere, also trinke ich zuerst!"
Und schon ging der Streit los. Sie fauchten und knurrten, zeigten ihre scharfen Zähne und starken Hauer. Der Löwe schlug mit seinen Tatzen, das Wildschwein stieß mit seinem Kopf. Sie kämpften und kämpften, bis sie beide ganz müde waren und kaum noch schnaufen konnten.
Puh, das war anstrengend! Sie mussten kurz Pause machen, um Luft zu holen. Als sie so dastanden und keuchten, sahen sie hoch am Himmel etwas. Da kreisten große Vögel mit krummen Schnäbeln – es waren Geier!
Der Löwe stupste das Wildschwein an. "Schau mal da oben", sagte er leise. "Die Geier warten schon."
Das Wildschwein nickte. "Du hast recht. Sie warten darauf, dass einer von uns nicht mehr kann, damit sie ihn fressen können."
Der Löwe und das Wildschwein sahen sich an. Plötzlich war der Streit gar nicht mehr so wichtig.
"Weißt du was?", sagte der Löwe. "Es ist doch viel klüger, wenn wir uns vertragen und beide trinken, als wenn einer von uns Futter für die Geier wird."
Das Wildschwein grunzte zustimmend. "Da hast du wirklich recht."
Und so tranken der Löwe und das Wildschwein friedlich nacheinander aus der kleinen Wasserstelle. Ein bisschen Teilen war doch viel besser als ein gefährlicher Kampf.
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