Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
Grimms Märchen
In einem Königreich, wo die Sonne immer ein bisschen heller schien, lebte eine junge Prinzessin. Sie war sehr hübsch, aber manchmal auch ein bisschen stur. Ihr allerliebstes Spielzeug war ein goldener Ball. Damit spielte sie am liebsten draußen im Schlossgarten, nahe bei einem tiefen Brunnen.
Eines Tages, als sie den Ball hoch in die Luft warf, plumms! – fiel er direkt in den Brunnen hinein. "Oh nein!", rief die Prinzessin und fing bitterlich an zu weinen. "Mein schöner goldener Ball!"
Plötzlich hörte sie eine Stimme: "Was weinst du denn so, Prinzessin?" Sie schaute sich um, sah aber niemanden. "Wer spricht da?", fragte sie. Da, aus dem Wasser, streckte ein dicker, grüner Frosch seinen Kopf heraus. "Ich bin's, der Frosch", quakte er.
"Ach, du bist es", sagte die Prinzessin. "Ich weine um meinen goldenen Ball, der in den Brunnen gefallen ist."
"Ich kann ihn dir wiederholen", quakte der Frosch. "Aber was gibst du mir dafür?"
"Alles, was du willst!", rief die Prinzessin. "Meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, sogar meine goldene Krone!"
Der Frosch schüttelte den Kopf. "Deine Kleider, Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die mag ich nicht. Aber wenn du mich liebhaben willst, und ich dein Freund und Spielkamerad sein darf, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken und in deinem Bettchen schlafen – wenn du mir das versprichst, so will ich hinuntertauchen und dir den goldenen Ball wieder heraufholen."
Die Prinzessin dachte: "Was der komische Frosch da redet! Der sitzt doch im Wasser und quakt und kann doch kein Freund für Menschen sein." Aber sie sagte laut: "Ja, ja, ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur den Ball wiederbringst."
Der Frosch tauchte unter, und bald kam er mit dem goldenen Ball im Maul wieder herauf und warf ihn ins Gras. Die Prinzessin war überglücklich, hob den Ball auf und rannte damit schnell weg. "Warte, warte!", rief der Frosch. "Nimm mich mit! Ich kann nicht so schnell laufen wie du!" Aber die Prinzessin hörte nicht auf ihn und eilte nach Hause ins Schloss und hatte den armen Frosch bald vergessen.
Am nächsten Tag, als die Prinzessin mit dem König und allen Leuten vom Hof am Tisch saß und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da klopfte es an die Schlosstür. Plitsch, platsch, plitsch, platsch, so kam es die Marmortreppe herauf. Jemand rief: "Königstochter, jüngste, mach mir auf!"
Die Prinzessin lief hin und machte die Tür auf. Als sie den Frosch sah, erschrak sie sehr und schlug die Tür schnell wieder zu.
Der König sah, dass ihr das Herz ganz schnell klopfte, und fragte: "Mein Kind, wovor hast du Angst? Steht etwa ein Riese vor der Tür?"
"Ach nein", antwortete sie, "es ist kein Riese, sondern ein ekliger Frosch."
"Was will der Frosch von dir?"
"Ach, lieber Vater, als ich gestern im Wald beim Brunnen spielte, fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt. Dafür musste ich ihm versprechen, dass er mein Freund sein darf. Ich dachte aber nie, dass er aus seinem Wasser herauskönnte. Nun ist er draußen und will zu mir herein."
Inzwischen klopfte es zum zweiten Mal und rief: "Königstochter, jüngste, mach mir auf! Weißt du nicht, was du gestern zu mir gesagt bei dem kühlen Brunnenwasser? Königstochter, jüngste, mach mir auf!"
Da sagte der König: "Was du versprochen hast, das musst du auch halten. Geh nur und mach ihm auf."
Sie ging und öffnete die Tür. Der Frosch hüpfte herein, ihr immer auf den Fersen, bis zu ihrem Stuhl. Da saß er und rief: "Heb mich herauf zu dir." Sie zögerte, bis es der König befahl. Als der Frosch auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er: "Nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen." Das tat sie zwar, aber man sah wohl, dass sie es nicht gerne tat. Der Frosch ließ sich's gut schmecken, aber ihr blieb fast jeder Bissen im Hals stecken.
Endlich sprach er: "Ich habe mich satt gegessen und bin müde; nun trag mich in dein Zimmerchen und mach dein Bettchen zurecht, da wollen wir uns schlafen legen." Die Prinzessin fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie sich nicht traute anzufassen und der nun in ihrem schönen, sauberen Bettchen schlafen sollte.
Der König aber wurde zornig und sprach: "Wer dir geholfen hat, als du in Not warst, den sollst du danach nicht schlecht behandeln!"
Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach: "Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sag's deinem Vater." Da wurde sie erst richtig wütend, holte ihn herauf und warf ihn mit aller Kraft gegen die Wand: "Nun wirst du Ruhe geben, du ekliger Frosch!"
Als er aber herabfiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen, freundlichen Augen. Er erzählte ihr, er sei von einer bösen Hexe verwünscht worden, und niemand hätte ihn erlösen können als sie allein. Und er war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Freund und Gemahl.
Am nächsten Morgen kam ein Wagen angefahren, mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Federn auf dem Kopf und gingen in goldenen Ketten. Hinten auf dem Wagen stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so sehr gegrämt, als sein Herr in einen Frosch verwandelt worden war, dass er drei eiserne Bänder um sein Herz hatte legen lassen, damit es ihm nicht vor Kummer zerspränge.
Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen. Der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf, und war voller Freude über die Erlösung. Und als sie ein Stück des Weges gefahren waren, hörte der Königssohn hinter sich ein Krachen, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief: "Heinrich, der Wagen bricht!"
"Nein, Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als Ihr in dem Brunnen saßt, als Ihr ein Frosch noch was't."
Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bänder, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr wieder erlöst und glücklich war.
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