• Die Goldkinder

    Grimms Märchen
    In einem kleinen Häuschen am Rande eines großen, grünen Waldes lebten einmal ein armer Mann und seine Frau. Sie hatten nicht viel, aber sie waren zufrieden. Eines Tages, als die Frau im Wald Holz sammelte, entdeckte sie etwas, das hell in der Sonne glänzte. Es war ein kleiner Vogel, aber nicht irgendein Vogel! Seine Federn waren aus purem Gold.

    "Oh, du wunderschöner Vogel!", rief die Frau. Der goldene Vogel zwitscherte und sagte mit einer klaren Stimme: "Nimm mich mit zu dir nach Hause. Ich werde dir Glück bringen."

    Die Frau nahm den Vogel vorsichtig mit. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, legte der goldene Vogel ein Ei aus reinem Gold. Bald waren der Mann und die Frau nicht mehr arm. Sie hatten ein schönes Haus und genug zu essen.

    Nach einer Weile sagte der goldene Vogel: "Liebe Frau, nun musst du mich kochen. Wenn du mein Herz und meine Leber isst, wirst du zwei Kinder bekommen, so golden und glänzend wie ich." Die Frau war sehr traurig, denn sie hatte den Vogel lieb gewonnen. Aber der Vogel bestand darauf. Schweren Herzens tat sie, was er gesagt hatte.

    Und tatsächlich, nicht lange danach bekam die Frau zwei Söhne. Ihre Haare leuchteten wie Gold, und ihre Haut schimmerte golden. Alle nannten sie nur die Goldkinder.

    Die beiden Goldjungen wuchsen heran und wurden starke und kluge junge Männer. Eines Tages hörte ihr Vater, wie andere Leute im Dorf tuschelten: "Schaut euch die Goldkinder an! Ihr Vater weiß nicht einmal, was die Zukunft für sie bereithält." Das machte die Brüder traurig und neugierig zugleich.

    "Vater," sagten sie, "wir wollen in die Welt hinausziehen und unser eigenes Glück suchen." Der Vater war betrübt, aber er verstand sie. "Geht," sagte er, "aber seid vorsichtig. Und meidet das Wirtshaus an der Weggabelung. Dort ist es nicht sicher."

    Die Brüder versprachen, aufzupassen, und machten sich auf den Weg. Nach einer Weile kamen sie zu einer Weggabelung, und genau dort stand ein Wirtshaus. Es sah gemütlich aus, und Musik klang heraus. Der eine Bruder sagte: "Ach, was soll schon passieren? Lass uns nur kurz hineinschauen."

    Er ging hinein. Drinnen saß eine wunderschöne Frau, die ihn freundlich anlächelte. Aber sie war eine böse Hexe! Sie bot ihm einen Becher Wein an. Kaum hatte der Goldjunge davon getrunken, erstarrte er zu Stein.

    Der andere Bruder wartete draußen. Als sein Bruder nicht zurückkam, wurde ihm unheimlich zumute. Er rief nach ihm, aber niemand antwortete. Traurig und allein setzte er seinen Weg fort.

    Tief im Wald traf er einen großen, freundlichen Bären. "Warum bist du so traurig, Goldjunge?", brummte der Bär. Der Junge erzählte ihm von seinem verschwundenen Bruder. "Hab keine Angst," sagte der Bär, "ich werde dir helfen. Ich bin eigentlich ein verzauberter Prinz."

    Zusammen erlebten der Goldjunge und der Bär viele Abenteuer. Sie kämpften gegen einen gefährlichen Drachen und retteten eine wunderschöne Prinzessin aus einem hohen Turm. Der Goldjunge verliebte sich in die Prinzessin und heiratete sie. Er wurde König und lebte glücklich in einem prächtigen Schloss.

    Aber er vergaß seinen Bruder nie. Eines Tages sagte er zu seinem Freund, dem Bären: "Wir müssen meinen Bruder finden."

    Sie ritten zurück zu dem unheimlichen Wirtshaus an der Weggabelung. Die Hexe war immer noch dort. Sie versuchte wieder, den Goldjungen mit einem Zaubertrank zu täuschen. Aber der kluge Bär schlug ihr den Becher aus der Hand und brüllte so laut, dass die Hexe vor Schreck zitterte.

    "Verwandle seinen Bruder sofort zurück!", befahl der Goldjunge. Die Hexe hatte solche Angst, dass sie gehorchte. Und da stand der andere Goldjunge wieder lebendig und golden vor ihnen!

    Oh, was für eine Freude das war! Die beiden Brüder umarmten sich und weinten vor Glück. Sie kehrten zusammen ins Königreich zurück. Der gerettete Bruder fand dort auch eine liebe Prinzessin und heiratete sie.

    Und so lebten die beiden Goldkinder mit ihren Familien glücklich und zufrieden. Und der treue Bär? Er wurde von seinem Zauber erlöst und war wieder ein Prinz, und alle feierten zusammen noch viele fröhliche Feste.

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