• Was die alte Johanne erzählte

    Andersens Märchen
    Stellt euch ein winziges, altes Häuschen vor, das ein bisschen schief stand, als hätte es einen Schluckauf gehabt. In diesem Häuschen wohnte die alte Johanne. Sie war schon sehr, sehr alt, aber ihre Augen funkelten immer noch wie zwei kleine Sterne, wenn sie lachte.

    Johanne hatte nicht viel Geld, nein, das wirklich nicht. Ihr Zimmerchen war klein, aber blitzblank sauber. Auf dem Tisch stand eine einzige Tasse, aus der sie jeden Morgen ihren dünnen Kaffee trank. Ihr bester Freund war ein schwarz-weißer Kater namens Munkel. Munkel war ein kluger Kater und verstand jedes Wort, das Johanne sagte – zumindest tat Johanne so, als ob.

    "Guten Morgen, Munkel," sagte Johanne jeden Tag. "Hast du gut geschlafen?" Munkel blinzelte dann und schnurrte, als wollte er sagen: "Ja, danke, und du auch, hoffe ich!"

    Obwohl Johanne arm war, war sie nie traurig. Sie hatte nämlich einen Schatz. Nein, keine Goldmünzen oder Juwelen! Ihr Schatz stand auf dem Fensterbrett: eine kleine Blumenzwiebel in einem Topf. Ein Nachbarskind hatte sie ihr geschenkt. Jeden Tag goss Johanne die Zwiebel und sprach mit ihr. "Na, du kleine Knolle," flüsterte sie, "wann zeigst du mir endlich deine Blüte? Ich bin schon so gespannt!"

    Munkel saß dann oft daneben, putzte sich die Schnurrhaare und schaute zu, als würde er die Zwiebel auch anfeuern.

    Die Tage vergingen. Draußen wurde es kälter, aber in Johannes kleinem Zimmer war es gemütlich. Manchmal, wenn sie ein kleines Stückchen Brot übrig hatte, teilte sie es mit den Vögeln vor dem Fenster. "Ihr müsst auch satt werden," sagte sie dann.

    Eines Morgens, als die ersten Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster fielen, sah Johanne etwas Grünes aus der Blumenzwiebel spitzen. "Munkel, schau nur!", rief sie aufgeregt. "Sie wacht auf! Unsere Blume wacht auf!" Munkel sprang aufs Fensterbrett und stupste mit seiner Nase vorsichtig gegen den Topf.

    Von da an wurde die grüne Spitze jeden Tag ein bisschen größer. Johanne konnte es kaum erwarten. Und dann, eines schönen Tages, öffnete sich eine wunderschöne, leuchtend blaue Blüte. Sie duftete so herrlich, dass das ganze Zimmerchen danach roch.

    "Oh, wie schön du bist!", sagte Johanne mit Tränen in den Augen. Sie war so glücklich. Sie setzte sich an den Tisch, trank ihren Kaffee und schaute ihre Blume an. Munkel sprang auf ihren Schoß und schnurrte so laut er konnte.

    Die alte Johanne hatte vielleicht nicht viel, aber mit ihrem Kater Munkel und ihrer wunderschönen blauen Blume fühlte sie sich wie die reichste Frau der Welt. Und manchmal, Kinder, sind es genau diese kleinen Dinge, die das Leben am allerschönsten machen.

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