• Lif und Lifthrasir

    Nordische Mythologie
    Wisst ihr, was passiert, wenn die Welt ganz, ganz alt wird und ein bisschen müde ist? Manchmal braucht sie eine große Pause, fast wie einen langen Winterschlaf. So ähnlich war das auch in einer sehr, sehr alten Geschichte aus dem Norden.

    Damals gab es Götter, Riesen und natürlich auch Menschen. Aber eines Tages begann ein riesiges Durcheinander. Die Erde bebte, der Himmel wurde dunkel, und es wurde bitterkalt. Ein langer, langer Winter kam, und alle hatten große Angst. Die Götter und Riesen kämpften miteinander, und es war ein furchtbarer Lärm. Man nannte diese Zeit Ragnarök, das Ende der alten Welt. Es schien, als würde alles untergehen.

    Aber mitten in diesem Chaos gab es zwei Menschen, einen Mann namens Lif und eine Frau namens Lifthrasir. Sie waren sehr tapfer, aber auch ein bisschen ängstlich, als sie sahen, wie alles um sie herum wackelte und krachte. Als die Welt immer dunkler und kälter wurde, suchten sie einen sicheren Ort. Sie fanden ein ganz besonderes Versteck: einen riesigen, uralten Baum, der Hoddmímis Holt genannt wurde. Manche sagen, es war ein Teil des großen Weltenbaumes Yggdrasil.

    Lif und Lifthrasir kletterten schnell hinein und versteckten sich tief im Inneren des Baumes, wo die Äste ganz dicht waren. Dort war es sicher und erstaunlich ruhig. Draußen tobte der Sturm, Feuer und Eis kämpften miteinander, aber im Baum spürten sie kaum etwas davon. Zu essen hatten sie nicht viel, aber jeden Morgen sammelten sie den frischen Morgentau von den Blättern des Baumes. Dieser Tau war so rein und besonders, dass er sie am Leben hielt und ihnen Kraft gab.

    Viele, viele Tage und Nächte blieben sie in ihrem Baumversteck. Sie hörten, wie die Welt draußen tobte und sich veränderte. Sie warteten geduldig, bis der Lärm leiser wurde und die Kälte langsam nachließ.

    Und dann, eines Morgens, war es ganz still. Die Sonne, die lange verschwunden war, schien wieder, viel heller und wärmer als zuvor. Lif und Lifthrasir spähten vorsichtig aus ihrem Baum. Die alte, kaputte Welt war verschwunden. Stattdessen sahen sie eine neue, wunderschöne Erde. Alles war grün und frisch, die Flüsse flossen klar, und die Luft war sauber und roch nach Neubeginn.

    Lif und Lifthrasir kamen aus ihrem Baum heraus. Sie waren die einzigen Menschen, die diese große Veränderung überlebt hatten. Sie freuten sich sehr über die neue, friedliche Welt. Bald bekamen sie Kinder, und deren Kinder bekamen wieder Kinder. So füllte sich die neue Erde langsam wieder mit Menschen, die alle von Lif und Lifthrasir abstammten. Und so begann die Welt ganz von vorne, frisch und voller Hoffnung, dank zweier mutiger Menschen und eines schützenden Baumes.

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