• Herr Korbes

    Grimms Märchen
    Hört mal zu, Kinder, was ich euch erzählen will!

    Ein Hahn und ein Huhn, nennen wir sie Hähnchen und Hühnchen, hatten eine tolle Idee. Sie wollten Herrn Korbes besuchen. Aber wie sollten sie dorthin gelangen? Hähnchen sagte: "Wir bauen uns einen Wagen!" Und so bauten sie einen kleinen, feinen Wagen aus Nussschalen und Spinnweben. Hähnchen spannte sich davor, und Hühnchen setzte sich hinein.

    "Kikeriki!", rief Hähnchen, "Fahr los, mein Hühnchen!"
    "Gack, gack, ich sitze schon!", antwortete Hühnchen.

    Unterwegs trafen sie eine Ente. "Quak, quak, wohin des Wegs, ihr zwei?" fragte die Ente.
    "Zum Herrn Korbes!" riefen Hähnchen und Hühnchen.
    "Nehmt mich mit!" bat die Ente.
    "Gerne", sagte Hähnchen, "aber du bist schwer. Setz dich hinten drauf, damit der Wagen nicht umkippt." Und so stieg die Ente ein.

    Bald darauf kam eine Stecknadel dahergerollt. "Halt, halt!", rief sie. "Wohin geht die Reise?"
    "Zum Herrn Korbes!"
    "Oh, lasst mich mitfahren!"
    "Klar", sagte Hühnchen, "setz dich neben mich, aber pass auf, dass du niemanden piekst."

    Kurz darauf trafen sie eine Nähnadel. "Stopp!", zischte die Nähnadel. "Ich möchte auch mit zum Herrn Korbes!"
    "Steig ein", sagte Hähnchen, "aber sei vorsichtig!"

    Als sie weiterfuhren, kullerte ihnen ein Ei entgegen. "Guten Tag!", sagte das Ei. "Ich habe gehört, ihr fahrt zu Herrn Korbes. Kann ich mit?"
    "Ja, ja", gackerten alle, "aber sei zerbrechlich, äh, vorsichtig!" Das Ei rollte in den Wagen.

    Dann schlich eine Katze vorbei. "Miau, wohin so eilig?" fragte sie.
    "Zum Herrn Korbes!"
    "Miau, da will ich auch hin!" Und die Katze sprang geschickt in den Wagen.

    Zuletzt trafen sie einen dicken Mühlstein. "Hallo!", rumpelte der Mühlstein. "Ich muss auch zu Herrn Korbes. Ist noch Platz?"
    Alle schauten sich an. Der Wagen war schon sehr voll. Aber Hähnchen sagte tapfer: "Na gut, aber du musst ganz hinten sitzen, du bist der Schwerste!" Der Mühlstein quetschte sich dazu.

    Endlich kamen sie bei Herrn Korbes' Haus an. Aber, oh Schreck, Herr Korbes war nicht zu Hause!
    "Was nun?" piepste das Hühnchen.
    "Wir verstecken uns und überraschen ihn!" miaute die Katze.

    Und so versteckten sie sich:
    Die Katze sprang auf den Kamin und kuschelte sich in die warme Asche.
    Die Ente hüpfte in den Wassereimer.
    Das Ei rollte sich auf den Tisch.
    Die Stecknadel steckte sich ins Stuhlkissen.
    Die Nähnadel sprang ins Handtuch, das am Haken hing.
    Der Mühlstein legte sich über die Haustür.
    Und Hähnchen und Hühnchen? Die flogen auf die Stange über dem Herd und warteten gespannt.

    Als Herr Korbes nach Hause kam, war er müde. Er wollte Feuer im Kamin machen. Da sprang ihm die Katze fauchend ins Gesicht und kratzte ihn mit Asche voll! "Hilfe!", schrie Herr Korbes.

    Schnell rannte er zum Wassereimer, um sich zu waschen. Da platschte die Ente ihm Wasser ins Gesicht und pickte nach seiner Nase! "Auweia!", jammerte Herr Korbes.

    Er wollte sich mit dem Handtuch abtrocknen. Aua! Die Nähnadel stach ihn in die Hand! "Was ist denn hier los?", rief er.

    Erschrocken wollte er sich auf den Stuhl setzen. Pieks! Die Stecknadel stach ihn von unten! Herr Korbes sprang auf.

    Wütend ging er in die Küche, um etwas zu essen und sich zu beruhigen. Da rollte das Ei vom Tisch, fiel auf seinen Kopf und zerbrach. Klatsch! Eigelb lief ihm übers Gesicht.

    Nun hatte Herr Korbes genug. "Ich gehe wieder raus!" schrie er und rannte zur Tür.
    Aber als er durch die Tür wollte... Rums! Da fiel der Mühlstein von oben herab und traf ihn genau!

    Man sagt, Herr Korbes wurde danach nicht mehr oft gesehen.
    Und Hähnchen und Hühnchen? Die gackerten und krähten vergnügt auf ihrer Stange und dachten sich: "Das war ein aufregender Besuch!" Dann flogen sie davon, um neue Abenteuer zu erleben.

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