• Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack

    Grimms Märchen
    Stellt euch vor, in einem gemütlichen kleinen Haus lebte ein Schneider mit seinen drei Söhnen. Sie hatten auch eine Ziege, aber diese Ziege war ein bisschen ein Schlitzohr. Jeden Tag musste einer der Söhne die Ziege auf die Weide führen, damit sie das saftigste Gras fressen konnte.

    Eines Tages war der älteste Sohn dran. Er brachte die Ziege zu den besten Kräutern. Am Abend fragte er: "Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: "Ich bin so satt, ich mag kein Blatt, mäh, mäh!" Also gingen sie nach Hause. Doch als der Vater die Ziege fragte, ob sie satt sei, blökte sie: "Wovon sollt ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein, mäh, mäh!" Der Vater wurde wütend auf seinen Sohn, weil er dachte, er hätte die Ziege hungern lassen, und jagte ihn fort.

    Am nächsten Tag passierte dem zweiten Sohn genau dasselbe. Die Ziege log, und auch er musste das Haus verlassen. Und am dritten Tag? Ihr ahnt es schon – auch der jüngste Sohn wurde wegen der lügnerischen Ziege fortgeschickt.

    Der älteste Sohn ging zu einem Schreiner in die Lehre. Als seine Lehrzeit vorbei war, schenkte ihm sein Meister ein kleines Holztischchen. Es sah ganz gewöhnlich aus, aber es war magisch! Wenn man sagte: "Tischchen, deck dich!", dann war es plötzlich voller leckerer Speisen. Der Sohn freute sich und machte sich auf den Heimweg. Unterwegs übernachtete er in einem Gasthaus. Er zeigte dem Wirt sein Tischchen, und der Wirt staunte. Nachts, als der Sohn schlief, tauschte der schlaue Wirt das magische Tischchen gegen ein ganz normales aus. Am nächsten Morgen merkte der Sohn nichts, packte das falsche Tischchen ein und ging. Zu Hause wollte er seiner Familie die Magie zeigen, rief "Tischchen, deck dich!", aber nichts geschah. Alle waren sehr enttäuscht.

    Der zweite Sohn lernte bei einem Müller. Zum Abschied bekam er einen Esel. Aber nicht irgendeinen Esel! Wenn man rief: "Bricklebrit!", dann purzelten aus dem Maul des Esels lauter Goldstücke. Auch er kehrte in dasselbe Gasthaus ein. Der Wirt war wieder neugierig, und als der Sohn schlief, tauschte er den Goldesel gegen einen gewöhnlichen Esel aus. Zu Hause rief der Sohn "Bricklebrit!", aber statt Gold kamen nur... nun ja, Eseläpfel. Wieder große Enttäuschung.

    Der jüngste Sohn ging zu einem Drechsler. Als er ausgelernt hatte, gab ihm sein Meister einen Sack und sagte: "Darin ist ein Knüppel. Wenn dir jemand Böses will, sag einfach: 'Knüppel, aus dem Sack!'" Der Sohn dachte sich, das könnte nützlich sein, und machte sich auf den Weg. Er ahnte schon, was seinen Brüdern im Gasthaus passiert war. Also ging er auch dorthin. Er erzählte dem Wirt von einem Schatz in seinem Sack, aber er passte gut auf. Nachts legte er den Sack neben sein Bett. Der Wirt schlich sich herein, um den Sack zu stehlen. Da rief der Sohn laut: "Knüppel, aus dem Sack!" Sofort sprang der Knüppel heraus und verdrosch den Wirt, bis dieser um Gnade flehte und versprach, das Tischchen und den Goldesel zurückzugeben.

    So kam der jüngste Sohn mit dem Tischchen, dem Goldesel und dem Knüppel im Sack nach Hause. Er erzählte seinem Vater alles. Als der Vater von der List der Ziege hörte, wurde er sehr zornig auf sie. Er schor ihr das Fell kahl, und die Ziege rannte beschämt davon und wurde nie mehr gesehen.

    Der Schneider und seine drei Söhne aber lebten von nun an glücklich und zufrieden. Das Tischchen deckte sich jeden Tag mit den feinsten Speisen, der Esel sorgte für genug Gold, und falls doch mal ein Bösewicht auftauchte, war ja immer noch der Knüppel im Sack!

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