Chang'e fliegt zum Mond
Chinesische Mythologie
Hört mal her, Kinder, ich erzähle euch eine ganz alte Geschichte aus einem fernen Land.
Dort lebte ein Held, der hieß Hou Yi. Hou Yi war ein super Bogenschütze, der beste im ganzen Land! Zu dieser Zeit war es auf der Erde furchtbar heiß. Wisst ihr warum? Weil es nicht nur eine Sonne am Himmel gab, sondern zehn! Zehn Sonnen, könnt ihr euch das vorstellen? Alles war trocken, die Pflanzen verdorrten, und die Menschen schwitzten und stöhnten.
Hou Yi dachte sich: "So geht das nicht weiter!" Er nahm seinen riesigen Bogen und seine stärksten Pfeile. Er zielte ganz genau und – schwupps – schoss er eine Sonne nach der anderen vom Himmel. Neun Sonnen schoss er herunter! Eine ließ er übrig, damit es hell blieb und die Menschen nicht im Dunkeln tappen mussten. Alle Leute jubelten Hou Yi zu und feierten ihn als ihren Retter.
Als Belohnung für seine Heldentat bekam Hou Yi von einer Himmelsgöttin eine kleine Pille. Das war aber keine normale Pille, oh nein! Es war eine Pille der Unsterblichkeit. Wer sie aß, würde ewig leben und niemals alt werden. Hou Yi freute sich sehr, aber er wollte die Pille nicht alleine nehmen. Er hatte nämlich eine wunderschöne Frau, die er über alles liebte. Sie hieß Chang'e. Er gab Chang'e die Pille und sagte: "Pass gut darauf auf, meine Liebste. Wir werden sie eines Tages gemeinsam nehmen."
Chang'e bewahrte die Pille sorgfältig in einer kleinen Schatulle auf. Aber es gab da einen Mann namens Feng Meng. Feng Meng war ein Schüler von Hou Yi, aber er war heimlich neidisch auf seinen Meister und wollte die Pille für sich selbst haben.
Eines Tages, als Hou Yi auf die Jagd gegangen war, schlich sich Feng Meng in Hou Yis Haus. Er bedrohte Chang'e mit einem Schwert und schrie: "Gib mir die Pille der Unsterblichkeit, sofort!"
Chang'e bekam große Angst. Sie wusste, wenn Feng Meng die Pille bekäme, würde er sie für böse Dinge missbrauchen. In ihrer Not, und weil sie nicht wollte, dass die Pille in falsche Hände geriet, nahm Chang'e die Pille schnell aus der Schatulle und schluckte sie hinunter.
Kaum hatte sie die Pille geschluckt, fühlte sie sich ganz leicht, leichter als eine Feder. Ihre Füße hoben vom Boden ab, und sie begann zu schweben! Sie schwebte höher und höher, durch das offene Fenster hinaus, dem Himmel entgegen. Sie konnte nicht mehr anhalten! Sie schwebte immer weiter, bis sie schließlich auf dem Mond landete.
Als Hou Yi von der Jagd zurückkam, war Feng Meng längst verschwunden. Er fand seine Frau nicht mehr. Verzweifelt rief er ihren Namen. Da erzählten ihm die Diener, was passiert war. Hou Yi war untröstlich. Er schaute zum Himmel hinauf und sah den hellen, runden Mond. Er hatte das Gefühl, dass Chang'e dort oben war.
Von da an stellte Hou Yi jedes Jahr, wenn der Mond besonders voll und hell leuchtete, die Lieblingskuchen und Früchte seiner Frau Chang'e in den Garten. Er schaute sehnsüchtig zum Mond hinauf und hoffte, seine geliebte Chang'e dort sehen zu können.
Und wenn ihr heute in einer klaren Nacht zum Vollmond schaut, dann seht ihr vielleicht einen kleinen Schatten. Manche sagen, das ist Chang'e, die Mondgöttin, die dort oben lebt, vielleicht zusammen mit einem kleinen Jadehasen, der ihr Gesellschaft leistet.
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