• Die Gottesanbeterin fängt die Zikade, doch der Pirol ist dahinter

    Chinesische Fabeln
    An einem wunderschönen Sommertag spazierte Prinz Wu durch seinen riesigen Garten. Die Sonne schien warm, und die Blumen dufteten herrlich. Plötzlich hörte er ein lautes Zirpen. Zzzzzzz! Zzzzzzz!

    Auf einem hohen Baum saß eine Zikade und sang ihr Lied. Sie war so glücklich und dachte an nichts Böses. Sie genoss die Sonne und den süßen Saft des Baumes.

    Aber Prinz Wu sah noch etwas. Ganz leise, Schritt für Schritt, schlich sich eine grüne Gottesanbeterin an die Zikade heran. Die Gottesanbeterin hatte nur Augen für die Zikade. "Mmmh, ein leckerer Happen!", dachte sie und hob langsam ihre Fangarme. Sie war so auf die Zikade konzentriert, dass sie nichts anderes um sich herum bemerkte.

    Prinz Wu wollte gerade seinen kleinen Bogen nehmen, um die Gottesanbeterin vielleicht zu fangen, da sah er noch etwas. Oben im Baum, direkt über der Gottesanbeterin, saß ein wunderschöner, bunter Pirol. Der Pirol hatte seinen Kopf schief gelegt und schaute gespannt auf die Gottesanbeterin. "Oh, was für ein saftiger Imbiss!", dachte der Pirol und machte sich bereit, blitzschnell herunterzustoßen. Er bemerkte die Zikade nicht und auch nicht den Prinzen, der unten stand.

    Prinz Wu hielt inne. Er senkte seinen Bogen und dachte nach.
    Die Zikade singt fröhlich und ahnt nicht, dass die Gottesanbeterin sie fangen will.
    Die Gottesanbeterin will die Zikade fressen und sieht nicht, dass der Pirol sie beobachtet.
    Der Pirol will die Gottesanbeterin schnappen und hat keine Ahnung, dass ich hier stehe und ihn sehe.

    "Aha!", dachte Prinz Wu. "Jeder ist so auf seinen eigenen kleinen Vorteil aus, dass er die größere Gefahr direkt hinter sich vergisst." Er lächelte. Das war eine kluge Lektion, die ihm die Tiere im Garten gezeigt hatten. Er beschloss, an diesem Tag keinen Vogel zu jagen, und ging leise weg, um die Tiere in Ruhe zu lassen.

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