Der Löwe und die Maus
Äsopische Fabeln
An einem sehr warmen Tag in Afrika, als die Sonne hoch am Himmel stand, machte Leo, der Löwe, ein Nickerchen im Schatten eines großen Baumes. Er war der König der Tiere und alle hatten Respekt vor ihm.
Während Leo tief und fest schlief und leise schnarchte, huschte eine winzige Maus namens Mia über den Waldboden. Mia war auf der Suche nach leckeren Körnern und bemerkte den schlafenden Löwen nicht sofort. Plumps, da war es passiert! Sie rannte aus Versehen direkt über Leos große Nase.
Der Löwe wachte mit einem lauten Brummen auf. "Wer wagt es, mich zu stören?", grollte er und öffnete ein riesiges Auge. Mit seiner gewaltigen Pranke packte er die zitternde Mia.
"Oh, bitte, bitte, großer König Leo", piepste Mia mit dünner Stimme, "lass mich frei! Ich wollte dich nicht wecken. Es war ein Versehen! Wenn du mich gehen lässt, verspreche ich dir, dass ich dir eines Tages auch helfen werde."
Leo musste lachen. Sein Lachen klang wie ein Donnergrollen. "Du? Eine winzige Maus wie du will mir, dem König der Tiere, helfen? Das ist ja lustig!" Aber weil Mia so klein und verängstigt aussah und Leo eigentlich gerade gute Laune hatte, sagte er: "Na gut, kleine Maus. Lauf schnell weg, bevor ich es mir anders überlege." Dankbar huschte Mia davon.
Einige Wochen später war Leo, der Löwe, im Wald unterwegs. Plötzlich – zack! – verfing er sich in einem starken Netz, das Jäger dort aufgestellt hatten. Er zog und zerrte mit aller Kraft, aber die Seile waren zu fest. Leo brüllte vor Wut und Angst, so laut er konnte. Sein Gebrüll hallte durch den ganzen Wald.
Mia, die kleine Maus, hörte das laute Brüllen in der Ferne. "Das klingt wie König Leo!", dachte sie und erinnerte sich an ihr Versprechen. Schnell rannte sie in die Richtung, aus der das Gebrüll kam.
Als sie ankam, sah sie den mächtigen Löwen hilflos im Netz zappeln. "Keine Sorge, König Leo!", rief Mia. "Ich helfe dir!"
Ohne zu zögern, kletterte Mia auf das Netz und begann, mit ihren spitzen, kleinen Zähnchen an den dicken Seilen zu nagen. Sie nagte und nagte, ein Seil nach dem anderen. Es dauerte eine Weile, aber Mia gab nicht auf. Schließlich war das letzte Seil durchgebissen und der Löwe konnte sich befreien.
Leo stand auf und schüttelte seine Mähne. Er blickte zu der kleinen Mia hinunter. "Du hast mir das Leben gerettet, kleine Maus", sagte er mit tiefer, dankbarer Stimme. "Ich habe dich ausgelacht, als du sagtest, du könntest mir helfen. Aber du hast dein Wort gehalten. Ich werde nie wieder über die Kleinen lachen."
Von diesem Tag an waren der große, starke Löwe und die kleine, kluge Maus die besten Freunde. Und Leo vergaß nie, dass auch die Kleinsten Großes bewirken können.
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