Hans im Glück
Grimms Märchen
Kennt ihr Hans? Hans war ein Mann, der für sein Leben gern Karten spielte. Er spielte so oft und so viel, dass er eines Tages fast sein ganzes Geld verspielt hatte. Traurig saß er in seiner kleinen Hütte und wusste nicht, was er tun sollte.
Da klopfte es an die Tür. Draußen standen zwei Wanderer, die müde und durstig aussahen. Es waren der liebe Gott und der heilige Petrus, die unerkannt durch die Welt reisten. Hans, obwohl er selbst kaum etwas hatte, bat die beiden herein und teilte sein letztes Stück Brot und den Rest Wasser mit ihnen.
Der liebe Gott war gerührt von Hans' Gastfreundschaft. "Hans," sagte er, "weil du so gut zu uns warst, obwohl du selbst wenig hast, sollst du dir drei Dinge wünschen dürfen."
Hans überlegte nicht lange. Sein Spielerherz schlug höher. "Als Erstes," rief er, "wünsche ich mir ein Kartenspiel, mit dem ich immer gewinne!"
Der liebe Gott runzelte die Stirn, nickte aber.
"Als Zweites," fuhr Hans fort, "wünsche ich mir einen Baum in meinem Garten. Wer auf diesen Baum klettert, soll nicht wieder herunterkommen, es sei denn, ich erlaube es!"
Wieder nickte der liebe Gott, obwohl er ein wenig den Kopf schüttelte.
"Und als Drittes," sagte Hans triumphierend, "wünsche ich mir einen Stuhl. Wer sich auf diesen Stuhl setzt, soll nicht wieder aufstehen können, bevor ich es nicht erlaube!"
Auch diesen Wunsch erfüllte der liebe Gott, dann verabschiedeten sich die beiden Wanderer.
Hans probierte seine neuen Karten sofort aus und siehe da, er gewann jedes Spiel! Bald hatte er wieder genug Geld und lebte fröhlich vor sich hin.
Viele Jahre vergingen. Eines Tages klopfte es wieder an Hans' Tür. Diesmal war es der Tod. "Hans," sagte der Tod mit knochiger Stimme, "deine Zeit ist gekommen. Mach dich bereit."
Hans erschrak, aber dann fiel ihm sein Wunschbaum ein. "Lieber Tod," sagte er listig, "bevor wir gehen, könntest du mir nicht ein paar von den leckeren Äpfeln da oben vom Baum pflücken? Ich habe solchen Durst."
Der Tod, der nichts Böses ahnte, kletterte auf den Baum. Kaum saß er auf einem Ast, rief Hans: "So, und nun bleibst du da oben, bis ich es erlaube!"
Der Tod zappelte und schimpfte, aber er kam nicht herunter. Und so saß der Tod viele Jahre auf dem Baum fest. In dieser Zeit starb kein Mensch auf der Welt. Das war anfangs ganz lustig, aber irgendwann wurde es den Leuten doch zu viel.
Schließlich hatte Hans Mitleid mit dem Tod und ließ ihn herunter, aber nur unter der Bedingung, dass er ihn noch eine Weile in Ruhe lassen würde. Der Tod versprach es zähneknirschend und verschwand.
Als Hans dann viele, viele Jahre später wirklich alt war und starb, ging seine Seele zur Himmelstür. Der heilige Petrus öffnete. "Hans?", fragte er erstaunt. "Du willst hier herein? Nach all deinen Spielereien und Tricks? Nein, das geht nicht."
Traurig wandte sich Hans ab und ging zur Hölle. Der Teufel rieb sich schon die Hände. "Ah, Hans der Spieler! Willkommen!"
"Moment mal," sagte Hans. "Bevor ich hierbleibe, wie wär's mit einer Partie Karten? Um ein paar arme Seelen, die du hier gefangen hältst?"
Der Teufel lachte schallend. "Gegen mich willst du spielen? Na gut!"
Aber Hans hatte ja seine Zauberkarten! Er gewann eine Seele nach der anderen vom Teufel zurück. Der Teufel wurde immer wütender, bis er schließlich brüllte: "Raus hier mit dir! So einen Spieler wie dich kann ich hier nicht gebrauchen! Du ruinierst mir ja das ganze Geschäft!" Und er jagte Hans davon.
Nun stand Hans wieder vor der Himmelstür. Petrus war immer noch nicht begeistert. "Was willst du denn schon wieder?", fragte er.
"Ach, Petrus," sagte Hans, "lass mich doch nur mal kurz hineinschauen, ob vielleicht einer meiner alten Freunde hier ist."
Petrus öffnete die Tür einen winzigen Spalt. Blitzschnell warf Hans seine Spielkarten hinein in den Himmel. "Oh weh!", rief er. "Meine Karten! Darf ich sie nur schnell holen?"
Petrus seufzte und dachte, was soll's. Er ließ Hans hinein. Hans hob seine Karten auf, sah sich um, entdeckte einen freien Stuhl und setzte sich schwungvoll darauf.
"So," sagte er und grinste Petrus an. "Von diesem Stuhl stehe ich nicht mehr auf, es sei denn, du lässt mich hierbleiben! Das war nämlich mein dritter Wunsch!"
Petrus schüttelte den Kopf über so viel List, aber er musste auch ein bisschen lachen. Was sollte er machen? Hans saß nun einmal da.
Und so durfte Hans, der schlaue Spieler, doch im Himmel bleiben. Aber ob er dort oben weiter Karten spielen durfte, das ist eine andere Geschichte.
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