Jörmungandr, die Midgardschlange
Nordische Mythologie
Wisst ihr, Loki, der Gott der List und des Schabernacks, hatte drei ziemlich ungewöhnliche Kinder. Eines war ein riesiger Wolf namens Fenrir, ein anderes war Hel, die über das Land der Toten wachte, und dann gab es da noch eine Schlange. Aber nicht irgendeine Schlange! Diese Schlange hieß Jörmungandr.
Odin, der oberste aller Götter, machte sich ein bisschen Sorgen, als er diese drei Kinder sah. Er dachte sich: "Hmm, die könnten später mal für Ärger sorgen." Also beschloss er, sie an verschiedene Orte zu bringen. Den Wolf Fenrir fesselten die Götter mit einer magischen Kette, und Hel wurde in die Unterwelt geschickt. Und die kleine Schlange Jörmungandr? Odin nahm sie und, schwuppdiwupp, warf er sie ins große Meer, das die Welt der Menschen, Midgard genannt, umgab. "Da kann sie schwimmen und keinen Unsinn machen", dachte Odin.
Aber Jörmungandr war keine gewöhnliche Schlange. Im Meer fühlte sie sich pudelwohl und begann zu wachsen. Und wie sie wuchs! Sie wurde länger und dicker, immer länger und immer dicker. Sie wuchs so lange, bis sie einmal komplett um die ganze Welt herumreichte und sich in ihren eigenen Schwanz beißen konnte. Stellt euch das mal vor! Eine riesige Seeschlange, die die ganze Welt umarmt. Deshalb nannten sie die Leute auch die Midgardschlange oder Weltschlange. Meistens lag sie ganz ruhig auf dem Meeresgrund und schlief, aber wenn sie sich bewegte, gab es gewaltige Wellen und Stürme.
Eines Tages hatte Thor, der starke Gott mit dem Hammer Mjölnir, eine Idee. Er wollte mit dem Riesen Hymir zum Angeln fahren, und zwar ganz weit hinaus aufs Meer. Thor war nämlich nicht nur stark, sondern auch ein bisschen draufgängerisch. Als Köder nahm er einen riesigen Ochsenkopf. Er warf die Angel aus, und nach einer Weile ruckelte es gewaltig. "Ein großer Fang!", rief Thor und zog mit all seiner Kraft. Das Boot krachte und ächzte. Langsam kam etwas Riesiges an die Oberfläche. Es war Jörmungandr! Die Schlange war gar nicht erfreut, an einem Angelhaken zu hängen, und starrte Thor mit bösen Augen an. Thor grinste und wollte gerade seinen Hammer schwingen, da bekam der Riese Hymir schreckliche Angst. Er zückte schnell sein Messer und schnitt die Angelschnur durch. "Platsch!", machte es, und Jörmungandr versank wieder in den Tiefen. Thor war stinksauer auf Hymir, denn er hätte die Schlange gerne besiegt.
Ein anderes Mal war Thor zu Besuch beim Riesen-König Utgardloki. Der König liebte es, die Götter mit kniffligen Aufgaben hereinzulegen. Eine Aufgabe für Thor war, die Hauskatze des Königs hochzuheben. "Eine Katze? Das ist doch kinderleicht!", dachte Thor und packte zu. Aber die Katze war unglaublich schwer! Thor stemmte sich mit aller Kraft dagegen, schwitzte und prustete, aber er schaffte es nur, eine einzige Pfote der Katze ein kleines Stück vom Boden zu heben. Alle lachten. Später erklärte Utgardloki, dass das gar keine normale Katze war. Es war Jörmungandr, die Weltschlange, die er mit Magie wie eine Katze aussehen ließ! Kein Wunder, dass Thor sie nicht hochheben konnte – wer kann schon die ganze Welt hochheben?
Viele, viele Jahre später kam die Zeit von Ragnarök, dem großen, letzten Kampf der Götter gegen die Riesen und Monster. Jörmungandr erhob sich aus dem Meer, riesig und furchterregend. Das Wasser schwappte über das Land, als sie sich auf Asgard, die Heimat der Götter, zubewegte. Ihr alter Feind Thor trat ihr entgegen. Es war ein gewaltiger Kampf! Thor schwang seinen Hammer Mjölnir und traf die Schlange mit voller Wucht am Kopf. Jörmungandr zischte und wand sich, aber Thors Schlag war zu stark. Die Weltschlange war besiegt. Doch bevor sie starb, spie sie eine riesige Wolke voll Gift auf Thor. Der starke Gott konnte dem Gift nicht entkommen. Er machte noch genau neun Schritte, dann fiel auch er tot um.
So kämpften Thor und Jörmungandr ihren letzten, großen Kampf, und obwohl beide tapfer waren, endete er für beide nicht gut. Aber die Geschichte von Jörmungandr, der Schlange, die so groß war, dass sie die ganze Welt umspannte, wird noch heute erzählt.
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