• Vulkan und Vulcanus

    Römische Mythologie
    Hoch oben auf dem Berg Olymp, wo die Götter wohnten, gab es einen ganz besonderen Handwerker. Sein Name war Vulkan. Er war der Gott des Feuers und konnte die tollsten Dinge aus Metall schmieden: glänzende Rüstungen, scharfe Schwerter und wunderschönen Schmuck. Seine Werkstatt war tief in einem Berg, und wenn er arbeitete, rumpelte und donnerte es oft. Vulkan war sehr stark, aber er hinkte ein wenig, weil er als Kind einmal vom Olymp gefallen war.

    Eines Tages beschloss Jupiter, der König der Götter, dass Vulkan heiraten sollte. Und wen suchte er für ihn aus? Die allerschönste Göttin von allen: Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit. Jeder bewunderte Venus für ihr Lächeln und ihre Anmut.

    Aber Venus war nicht sehr glücklich mit Vulkan. Er war zwar ein guter Kerl und ein fleißiger Arbeiter, aber er war immer schmutzig von der Arbeit in seiner Schmiede und roch nach Rauch. Venus fand ihn nicht besonders aufregend. Sie mochte lieber den starken und eleganten Mars, den Gott des Krieges. Mars war immer schick angezogen und erzählte spannende Geschichten von seinen Abenteuern.

    So kam es, dass Venus und Mars sich heimlich trafen, wenn Vulkan in seiner Werkstatt beschäftigt war. Sie dachten, niemand würde es bemerken.

    Aber einer sah alles: Sol, der Sonnengott. Jeden Tag fuhr Sol mit seinem Sonnenwagen über den Himmel und ihm entging nichts. Als Sol sah, wie Venus und Mars sich küssten, eilte er sofort zu Vulkan. "Vulkan," sagte Sol, "ich muss dir etwas Trauriges erzählen. Deine Frau Venus trifft sich heimlich mit Mars!"

    Vulkan war zuerst ungläubig, dann wurde er sehr, sehr wütend und auch ein bisschen traurig. Er dachte nach. Er wollte Venus und Mars nicht einfach anschreien. Nein, er hatte eine bessere Idee. Er war ja schließlich der beste Schmied von allen!

    Leise ging Vulkan in seine Werkstatt und arbeitete die ganze Nacht. Er schmiedete ein Netz, aber nicht irgendein Netz. Es war aus feinsten, fast unsichtbaren Goldfäden, aber so stark, dass niemand es zerreißen konnte.

    Am nächsten Morgen tat Vulkan so, als würde er für ein paar Tage verreisen. Er spannte das unsichtbare Netz geschickt über das Bett von Venus. Kaum war Vulkan weg, kam auch schon Mars zu Besuch. Venus und Mars lachten und freuten sich, dass sie ungestört waren. Doch als sie sich auf das Bett setzten, schwups! Das Netz fiel herab und umschlang sie beide. Sie zappelten und zerrten, aber sie konnten sich nicht befreien. Sie waren gefangen wie zwei Fische im Netz!

    Da kam Vulkan zurück. Er hatte gar nicht vor, wegzufahren! Er rief alle anderen Götter und Göttinnen vom Olymp herbei. "Kommt schnell!", rief er. "Kommt und seht, was ich hier gefangen habe!"

    Die Götter kamen neugierig herbeigelaufen. Als sie Venus und Mars so im Netz verheddert sahen, konnten sich manche ein Kichern nicht verkneifen. Es sah schon ziemlich komisch aus. Venus schämte sich schrecklich und Mars war wütend, aber sie konnten nichts tun.

    Schließlich hatte Neptun, der Gott des Meeres, Mitleid. Er bat Vulkan, die beiden freizulassen. "Sie haben ihre Lektion gelernt", sagte er. Nach langem Zureden ließ Vulkan das Netz locker. Venus und Mars waren so schnell verschwunden, wie sie nur konnten.

    Vulkan war immer noch ein bisschen gekränkt, aber er hatte allen gezeigt, dass man ihn nicht zum Narren halten konnte. Und dann ging er zurück in seine Werkstatt, denn dort, zwischen Feuer und Metall, fühlte er sich am wohlsten und konnte die wunderbarsten Dinge erschaffen.

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