• Die Fledermaus, der Dornbusch und die Möwe

    Äsopische Fabeln
    Stellt euch vor, es gab einmal eine Fledermaus, einen stacheligen Brombeerstrauch und eine flinke Möwe. Die drei beschlossen eines Tages, zusammen ein Geschäft zu machen, um reich zu werden.

    "Ich habe viel gespartes Geld!", quiekte die Fledermaus stolz. "Das können wir als Startkapital nehmen!"
    "Wunderbar!", rief der Brombeerstrauch und raschelte mit seinen Blättern. "Ich steuere meine besten und feinsten Stoffe bei. Daraus kann man tolle Dinge machen!"
    "Und ich", krächzte die Möwe aufgeregt, "ich habe glänzendes Kupfer gefunden! Das legen wir auch dazu!"

    Gesagt, getan. Sie kauften mit dem Geld der Fledermaus ein kleines Schiff, beluden es mit den Stoffen des Brombeerstrauchs und dem Kupfer der Möwe und stachen in See, um Handel zu treiben. Sie waren voller Hoffnung und guter Laune.

    Aber ach du Schreck! Kaum waren sie auf dem offenen Meer, zog ein schrecklicher Sturm auf. Die Wellen türmten sich haushoch, der Wind heulte und zerrte am Schiff. Plötzlich – krach! – lief das Schiff auf ein Riff und sank mit all ihren wertvollen Sachen auf den Grund des Meeres. Die Fledermaus, der Brombeerstrauch und die Möwe konnten sich mit letzter Kraft ans Ufer retten, aber sie hatten alles verloren.

    Seit diesem unglücklichen Tag ist alles anders.
    Die Fledermaus schämt sich so sehr, weil sie das ganze Geld verloren hat und nun Schulden hat. Deshalb traut sie sich nur noch nachts aus ihrem Versteck, wenn es dunkel ist und sie hofft, niemanden zu treffen, dem sie Geld schuldet.

    Der Brombeerstrauch ist immer noch ganz verzweifelt wegen seiner schönen Stoffe. Jedes Mal, wenn ein Mensch oder ein Tier an ihm vorbeikommt, versucht er, mit seinen Dornen ein Stückchen von deren Kleidung oder Fell festzuhalten. Er denkt sich: "Vielleicht ist das ja einer meiner verlorenen Stoffe!"

    Und die Möwe? Sie fliegt seitdem unermüdlich über das Meer. Immer wieder stürzt sie sich kopfüber ins Wasser und taucht tief hinab. Sie sucht und sucht und sucht nach ihrem glänzenden Kupfer, das irgendwo da unten auf dem Meeresboden liegen muss.

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